Kinder­haus nicht finanzierbar

29.06.2022 | Rathaus | 4 Kommentare

Das geplante neue Kinder­haus sollte umge­hend geplant, geneh­migt und gebaut werden, um zum Septem­ber 2024 zur Verfü­gung zu stehen. Jetzt hat der Gemein­de­rat aber erst­mal auf die Bremse getre­ten. Die Kosten­schät­zung lautete nun auf über elf Millio­nen Euro, für mindes­tens 4,5 Millio­nen Euro davon gibt es aktu­ell keinen Deckungsansatz.

Die Gemeinde rech­net mit 3,5 Millio­nen Euro staat­li­cher Zuschüsse, dazu kommen 1,7 Millio­nen Euro von den Bauträ­gern an Schä­fer­an­ger und Kreuza­cker, die damit ihre eigene Verpflich­tung zum Bau von Kinder­be­treu­ungs­plät­zen ablösen.

Gut eine Millio­nen Euro an Kredit­auf­nahme hat das Rathaus mittel­fris­tig für das Projekt schon geplant. Für die Deckungs­lü­cke von gut vier Millio­nen Euro sei „aktu­ell keine Finanz­quelle bekannt“, hieß es aus der Gemein­de­käm­me­rei lapi­dar. Die ohne­hin vorge­se­hene Neuver­schul­dung der nächs­ten Jahre war bei den Etat­be­ra­tun­gen schon als maxi­ma­ler Rahmen defi­niert worden. 

Die erwar­te­ten 11,7 Millio­nen Euro seien ohne­hin Augen­wi­sche­rei, rügte Erich Elsner (SPD), da darin keiner­lei Puffer für unvor­her­ge­se­hene Kosten enthal­ten seien und ebenso wenig für weitere Baukos­ten­stei­ge­run­gen bis zum Baube­ginn. Es seien daher eher 14 Millio­nen Euro zu erwarten.

“Finan­zie­rung ins Blaue”

FW, SPD und Grüne kriti­sier­ten Bürger­meis­ter Markus Böck (CSU), weil er keiner­lei Finan­zie­rungs­vor­schläge aufge­zeigt habe. „Es ist schon schwie­rig, so eine Summe ins Blaue zu finan­zie­ren“, sagte SPD-Spre­cher Florian Spirkl. Grünen-Spre­cher Fritz-Gerrit Kropp monierte „beinahe Hoch­sta­pe­lei“, eine 11-Millio­nen-Ausgabe vorzu­schla­gen und keiner­lei Finan­zie­rung darzustellen.

FW-Spre­cher Stefan Vohbur­ger rügte zudem, die Planung sei „ein sehr großer Wunsch­ka­ta­log, der viel Geld kostet“. Auch Peter Bent­hues (CSU) äußerte den „Eindruck einer Planung de luxe“. Böck versi­cherte, dies sei „eine Planung, die das gewollte Konzept opti­mal umsetzt“. 

Der Gemein­de­rat hatte hinter verschlos­se­nen Türen die Träger­schaft der künf­ti­gen Einrich­tung an die Nach­bar­schafts­hilfe verge­ben, die dort das soge­nannte „Reggio-Konzept“ umset­zen will, ein Betreu­ungs­an­satz, der die indi­vi­du­el­len Inter­es­sen des Kindes und das eigene Erkun­den und Erle­ben in den Mittel­punkt stellt. 

Die Kinder­ta­ges­stätte soll mit sechs Grup­pen errich­tet werden und lang­fris­tig auf zehn erwei­ter­bar sein. Auch hier sah der Gemein­de­rat Ansätze zum Sparen. 

Irene Bogdain (SPD) fand, ange­sichts weite­rer mittel­fris­ti­ger Bauvor­ha­ben für Kinder­ta­ges­stät­ten sei die Dimen­sion über­trie­ben, man möge „bedarfs­ge­rech­ter bauen“. Der Bürger­meis­ter vertei­digte es aller­dings als „rich­ti­gen Weg“, bereits groß­zü­gige Erwei­te­rungs­an­sätze vorzu­se­hen; die tatsäch­li­che Bedarfs­ent­wick­lung sei nicht exakt planbar. 

Weni­ger Erwei­te­rung vorsehen

Mehrere Vorschläge aus dem Gremium sahen Einspa­run­gen beim Bau vor, indem die Erwei­te­rungs­op­tio­nen anders einge­plant würden. Planer Chris­tian Würfel von „WSB Archi­tek­ten“ wies aller­dings darauf hin, dass ein Verzicht auf Erwei­te­rungs­op­tio­nen diese dann bei der späte­ren tatsäch­li­chen Umset­zung deut­lich verteu­ern würden.

Auf dem 6100 Quadrat­me­ter großen drei­ecki­gen Grund­stück südlich des Hallen­bads soll der jetzt für Mittags­be­treu­ung genutzte ehema­lige HPCA-Kinder­gar­ten abge­ris­sen und durch den Neubau ersetzt werden. Das Gebäude hätte 1600 Quadrat­me­ter Grund­flä­che in drei Flügeln. 

Nach der Planung soll­ten die drei paral­le­len Gebäu­de­teile im Erdge­schoss Kinder­krip­pen aufneh­men. Das mitt­lere Flügel­stück sollte ein Ober­ge­schoss für Kinder­gar­ten­grup­pen erhal­ten. Die Möglich­keit, auch die beiden ande­ren Flügel aufzu­sto­cken, bildet die mittel­fris­tige Erweiterungsoption.

Neben dem Bürger­meis­ter stimmte einzig Casi­mir Katz (FDP) für die Planung. Die Finan­zie­rung der zusätz­li­chen Kosten über Kredite sei ange­sichts der Bedeu­tung der Aufgabe „mach­bar“, urteilte er, man dürfe jetzt „keine Zeit mehr verlieren“. 

Mit 20:2 Stim­men lehn­ten CSU, FW, SPD, Grüne und eine FDP-Rätin die Pläne aber ab und forderte eine Neupla­nung, die frühes­tens im Septem­ber vorlie­gen wird. Darin soll nun die Erwei­te­rung anders ange­legt werden, dazu sollen mögli­che Einspa­run­gen umge­setzt werden.

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4 Kommentare

  1. Kann man denn das alte Kinder­haus nicht renovieren?

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  2. Chan­cen­ge­rech­tig­keit beginnt bei der früh­kind­li­chen Bildung. Es ist daher eine der wich­tigs­ten Pflicht­auf­ga­ben unse­rer Gesellschaft. 

    Mit Neid schauen wir auf Estland, bei denen es keine Staats­ver­schul­dung, aber verpflich­tende kosten­freie Krip­pen und Kinder­gär­ten gibt, und man nicht nur erwar­tet, sondern garan­tiert, dass jedes Kind beim Schul­ein­tritt lesen, schrei­ben und rech­nen kann.

    Damit wir das Kinder­haus sicher bauen können, hatte ich mich gegen eine teure Inte­rims­lö­sung ausge­spro­chen, und nun sehen wir eine Planung für ein Kinder­haus, das ein wenig zu groß und zu teuer wirkt. Aber es ist schwer zumut­bar, weiter warten zu müssen. Jede Verzö­ge­rung erhöht die Kosten.

    Wenn wir nun nicht alle ande­ren sinn­vol­len Projekte strei­chen, um diese Aufgabe zu lösen, müssen wir zwei Dinge tun:

    • eine abge­speckte, kompak­tere Form suchen, die etwas billi­ger ist. Näher am ersten Entwurf, den wir gese­hen haben. Das hat der Gemein­de­rat nun beschlossen
    • wir müssen uns davon verab­schie­den, dass wir keine Schul­den machen können.

    Schul­den sind für viele Leute nur nega­tiv, weil sie ein Zeichen der Armut sind. Schul­den sind aber sinn­voll, wenn sie eine Inves­ti­tion darstellen. 

    Im Gegen­satz zur Einzel­per­son ist die Gemeinde kredit­wür­dig und die Pro-Kopf-Verschul­dun­gen vergleich­ba­rer Gemein­den in Bayern gehen bis 2500 €/Einwohner, wir haben derzeit 129 € (unter dem Land­kreis­durch­schnitt) und würden mit den bereits geplan­ten Projek­ten erst bei etwa 1000 € liegen, so dass die zusätz­li­che Verschul­dung von 375 €/Einwohner noch realis­tisch erbracht werden könnte. 

    Für Schul­den muss man die Annui­tät (Zins & Tilgung) aus dem Verwal­tungs­haus­halt aufbrin­gen können, das ist der limi­tie­rende Faktor. Hier werden wir noch mal über eine kleine Anhe­bung der Grund­steuer B um etwa 25 % reden müssen. 

    Aber Schul­den sind in Zeiten der Infla­tion die beste denk­bare Kapi­tal­an­lage. Und meine Vermu­tung wurde mir inzwi­schen von eini­gen Bänkern bestä­tigt: Die Zentral­bank hat wegen der aufge­kauf­ten Staats­an­lei­hen keiner­lei Inter­esse, die Infla­tion komplett zu beenden.

    Also sollte das Kinder­haus idea­ler­weise etwas klei­ner, aber an dieser Stelle so bald wie möglich gebaut werden. Das sind wir unse­ren Kindern schuldig.

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    • Zum Finan­zie­ren eines Kinder­hau­ses braucht man nicht mit Neid auf andere Länder schauen, sondern nur die Beschlüsse unse­res Gemein­de­ra­tes Revue passie­ren lassen. 

      Dass Bauträ­ger trotz Aner­ken­nung der SoBoN sich aus ihrer Verpflich­tung, Kinder­gär­ten selbst herzu­stel­len, heraus­schlei­chen konn­ten, hat sich der Gemein­de­rat selbst zuzu­schrei­ben, indem er am 23.3.2021 einen Grund­satz­be­schluss fasste, das Kinder­haus selbst zu bauen. Ich selbst habe dem nicht zugestimmt. 

      Dass jetzt Herr Dr. Katz eine Erhö­hung der Grund­steuer verlangt, um dieses zu finan­zie­ren, finde ich anma­ßend und einen Frei­brief an die Bauträ­ger, weiter­hin Forde­run­gen an die Gemeinde zu stel­len. Übri­gens, eine Erhö­hung der Grund­steuer zahlen anteils­mä­ßig auch die Mieter.

      Das bestehende „HPCA“-Gebäude/früherer Hort ist voll funk­ti­ons­fä­hig und könnte mit den veran­schlag­ten Abriss­kos­ten von nahezu 400 000,- Euro ertüch­tigt werden und einer Kinder­ta­ges­stätte dienen.

      Die Bauträ­ger sollen ihren Bedarf an Kitas selbst lösen, so wie’s die SoBoN verlangt und es an der Ring­straße auch prak­ti­ziert wird.

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      • Werter Herr Negele,

        mir wäre nicht bekannt, dass Mieter keine Kinder haben. Eine Anhe­bung der Grund­steuer würde Mieter weit weni­ger belas­ten als z. B. die von zwei Perso­nen bewohn­ten Einfamilienhäuser. 

        Und bei den Mietern einer 4‑Zim­mer-Wohnung reden wir von derzeit ca 50 € pro Jahr. Dieser Betrag ist seit Jahr­zehn­ten konstant. Die Mieten der gemein­de­ei­ge­nen Wohnun­gen sollen aber auch nach Meinung der FW über­prüft und ange­ho­ben werden.

        Aber der eigent­li­che Fehl­schluss ist folgen­der: In Estland ist der Besuch kosten­los. Bei uns zahlen Eltern für einen Krip­pen­platz auch mal 400 €/Monat. Diese Kosten hängen damit zusam­men, was die Errich­tung und der Betrieb kosten. Ein Kinder­haus auf gemein­de­ei­ge­nem Grund mit Zuschüs­sen vom Land wird da deut­lich billi­ger sein, als von einem Bauträ­ger, der nicht nur den Grund kaufen muss, sondern auch auf direkte Förder­mit­tel verzich­ten muss. 

        Und die SoBoN wird dadurch erfüllt, dass der Bauträ­ger einen durch­aus ansehn­li­chen Beitrag zum Kinder­haus bezahlt. Wenn wir statt­des­sen Baugrund bekom­men würden, müss­ten wir viele klein­tei­lige Einrich­tun­gen erstel­len, die nicht nur in der Bausumme teurer wären, sondern auch erheb­li­che Nach­teile bei der Vertre­tung haben würden. 

        Nur bei wirk­lich großen Bauvor­ha­ben wie in Mitten­heim ist die Umset­zung im Bauge­biet sinn­voll. Deshalb wid sie ja auch dort gemacht.

        Ansons­ten wird hier ein mehr­heit­lich gefass­ter Beschluss des Gemein­de­rats umge­setzt, der möglichst schnell den jetzt schon bestehen­den Bedarf abdeckt.

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