Rathaus verliert fünf Millio­nen bei Bankencrash

13.04.2021 | Rathaus | 1 Kommentar

Nahezu die gesam­ten Erspar­nisse der Gemeinde sind bei der Insol­venz des Bremer Bank­hau­ses Greens­ill unter­ge­gan­gen. Seit 2019 hatte das Rathaus über zwei Drit­tel seiner Rück­la­gen in einer Geld­an­lage konzen­triert, um dort 0,45 Prozent Zins zu ergattern. 

Ende 2021 wird Ober­schleiß­heim wohl komplett ohne Anla­ge­ver­mö­gen daste­hen. Bürger­meis­ter Markus Böck (CSU) nannte die Situa­tion „äußerst fatal“, der Gemeinde würden nun „Hunger­jahre“ bevorstehen.

Etwa 50 Kommu­nen sollen ihr Geld bei der Greens­ill-Bank ange­legt haben, um Nega­tiv­zin­sen zu vermei­den. Von Juli 2019 bis August 2020 hat das Ober­schleiß­hei­mer Rathaus in fünf Tran­chen frei werdende Geld­an­la­gen immer wieder nach Bremen trans­fe­riert, zu Zins­sät­zen von 0,44 bis 0,51 Prozent. 

Anfang März stellte die bundes­deut­sche Finanz­auf­sicht den Zahlungs­ver­kehr der Bremer Toch­ter einer austra­lisch-briti­schen Mutter­ge­sell­schaft ein, Mitte März wurde das Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net, zudem wurde Straf­an­zeige wegen des Verdachts auf Bilanz­ma­ni­pu­la­tion gestellt.

Die Gemeinde hat nach Darstel­lung Böcks wohl zunächst die Rechts­auf­sicht im Land­rats­amt infor­miert, dann setzte der Bürger­meis­ter die Gemein­de­rats­frak­tio­nen in Kennt­nis. Bei der Sitzung des Finanz­aus­schus­ses des Gemein­de­rats am Diens­tag machte er das Malheur dann publik.

“Blöd gelau­fen”

Ob man Chan­cen habe, etwas Geld wieder­zu­se­hen, stehe „in den Ster­nen“, sagte er dabei. Mindes­tens ist zu erwar­ten, dass sich die dies­be­züg­li­chen Verhand­lun­gen über Jahre hinzie­hen werden. 

Böck versi­cherte dem Ausschuss, die Anlage habe zum Zeit­punkt der Abschlüsse „völlig seriös“ gewirkt. Die Bank habe beste Ratings vorge­wie­sen und man habe zu „völlig markt­üb­li­chen Zins­sät­zen“ ange­legt und „in keins­ter Weise speku­la­tiv“. Es sei „nicht wirk­lich was falsch gemacht worden, nur blöd gelaufen“. 

Für die Anlage hatte sich der dama­lige Bürger­meis­ter Chris­tian Kuch­l­bauer (FW) zusam­men mit der Gemein­de­käm­me­rei entschie­den. Der Gemein­de­rat war offen­bar nicht invol­viert, hatte sich ande­rer­seits aber wohl auch nie darum geküm­mert. Die jüngs­ten beiden der fünf Anlage-Tran­chen unter­zeich­nete bereits Böck.

Jetzt sagte er, es sei „glas­klar, dass sich was ändern muss“ in der Anla­ge­pra­xis der Gemeinde. Er werde „eine Art Richt­li­nie“ zur Geld­an­lage vorlegen. 

Die Grünen zeig­ten sich verwun­dert, warum die Gemeinde zwei Drit­tel ihres Anla­ge­ver­mö­gens auf eine Bank konzen­triert habe. Und 0,45 Prozent Zins sei derzeit durch­aus unge­wöhn­lich, rügte ihr Spre­cher Fritz-Gerrit Kropp: „Da hätte man schon deut­lich vorsich­ti­ger agie­ren können.“

Für die SPD forderte Florian Spirkl, bei derar­ti­gen Anla­ge­sum­men künf­tig wieder den Gemein­de­rat einzu­be­zie­hen. „Dieser Aufgabe müssen wir uns stel­len“, sagte er.

Hallen­bad? Kinderhaus?

Nach dem Verlust hat Ober­schleiß­heim aktu­ell noch knapp zwei Millio­nen Euro Rück­la­gen, von denen 1,8 Millio­nen Euro zur Deckung des Etats 2021 vorge­se­hen sind. Demnach wird die Gemeinde zum Jahres­ende gerade noch die gesetz­li­che Mindest­rück­lage zur Sicher­stel­lung der Liqui­di­tät besitzen. 

Folg­lich ist ab 2022 nahezu jede größere Inves­ti­tion auf Kredit zu finan­zie­ren. Unter ande­rem wäre ein neues Kinder­haus über­fäl­lig. Den in den kommen­den Jahren geplan­ten Neubau des Hallen­ba­des für kalku­lierte zwölf Millio­nen Euro hat der Gemein­de­rat schon mal ohne einen Termin zur Wieder­vor­lage abgesetzt.

(Hierzu ist eine Stel­lung­nahme des Bürger­meis­ters eingegangen.)

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1 Kommentar

  1. Zum Banken­crash

    Die Suche nach Schul­di­gen in Ober­schleiß­heim nach der Pleite der Greens­ill-Bank ist nicht allein dem ehema­li­gen Bürger­meis­ter Chris­tian Kuch­l­bauer anzulasten.

    Bei dessen Vertrags­ab­schlüs­sen im Nov. 2019 war kaum jeman­dem bekannt, wie es um diese Bank stand. Zu Beginn und Mitte 2020 haben die Fach­presse und Analys­ten zuneh­mend gewarnt und Hinweise gelie­fert, dass die Greens­ill-Bank wohl auf töner­nen Füßen steht. Der amtie­rende Bürger­meis­ter Markus Böck muss dem Gemein­de­rat schon erklä­ren, ob von ihm selbst oder seitens der Kämme­rei eine Liqui­di­täts­prü­fung beim neuer­li­chen Abschluß von 2 Mio. Euro statt fand.

    Befremd­lich ist die Aussage von Herrn Markus Böck, “blöd gelau­fen”, sowas darf einem Bürger­meis­ter nicht passieren!

    Die Gemeinde ist ein Selbst­ver­wal­tungs­or­gan, dies beinhal­tet auch die Finanz­ho­heit. Der haus­ei­gene Kontrol­leur ist der aus Gemein­de­rä­ten zusam­men­ge­setzte Rech­nungs­prü­fungs­aus­schuss, dessen Vorsitz bis zum 1. Mai 20 die SPD hatte. Der Vorsit­zende könnte vorschla­gen, was über­prüft werden soll. Die SPD sollte deshalb nach­den­ken, ob nicht auch sie selbst zu nach­sich­tig bei der Kontrolle der Haus­halts­mit­tel war, denn hierzu gehö­ren auch Geldanlagen.

    Hans Negele
    Gemein­de­rat FW

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