‘Finanz­de­saster’ juris­tisch aufar­beiten

16.04.2021 | Rathaus | 1 Kommentar

SPD und FDP fordern nach dem Anlage-Verlust der Gemeinde „eine genaue Aufklä­rung der näheren Umstände durch die Rechts­auf­sicht im Land­ratsamt und eine umfas­sende Finanz­kon­trolle durch den Baye­ri­schen Kommu­nalen Prüfungs­ver­band“. Für dieses „Finanz­de­saster“, wie sie es in einer gemein­samen Stel­lung­nahme nennen, sei „eine juris­ti­sche Aufar­bei­tung zwin­gend erfor­der­lich“.

Bürger­meister Markus Böck (CSU) hatte zuvor in einer Erklä­rung versi­chert, „mit sämt­li­chen Geldern wurde und wird nach bestem Wissen und Gewissen umge­gangen“. SPD und FDP verweisen hingegen darauf, dass es bei Privat­banken wie Greensill seit 2017 keinen Einla­gen­schutz mehr für Kommunen gegeben habe.

Inso­fern sei die Anlage höchst riskant gewesen. SPD/FDP zitieren sichere Infor­ma­tionen aus der Gemein­de­käm­merei, wonach Bürger­meister Kuch­l­bauer bei der Anlage 2019 darauf explizit hinge­wiesen worden sei. Offenbar hatte die Gemeinde 2017, damals war noch Robert Schuh­bauer Kämmerer, bereits eine kleine Anlage bei der Bremer Bank.

Kuch­l­bauer ließ dennoch drei weitere in seiner Amts­zeit frei werdende Anlagen zu Greensill umbu­chen und Böck tat dies mit noch zwei weiteren. Auslöser war wahr­schein­lich die Aussicht auf Zinsen bis zu einem halben Prozent, während bei Kreis­spar­kasse und Münchner Bank, wo zuvor übli­cher­weise die Ober­schleiß­heimer Rück­lagen depo­niert waren, die Verzin­sung bei Null lag oder Straf­zinsen drohten.

Der lang­jäh­rige Gemein­derat Emil Köbele (CSU, später FW), im Berufs­leben früher Anla­ge­be­rater, hat in der schleissheimer-zeitung.de bereits darauf hinge­wiesen, dass Warnungen vor Anlagen bei Greensill schon 2019 publik waren.

Keine Streuung des Risikos

SPD und FDP bemän­geln vorrangig, dass „eine Streuung von Risiken bei Geld­an­lagen, wie sie auch im kommu­nalen Bereich empfohlen wird, nicht statt­fand“.

Der Gemein­derat habe von all diesen Vorgängen keinerlei Kenntnis besessen. Auch das war zwar in Ober­schleiß­heim so Usus, aber spätes­tens 2017 hätte das geän­dert werden müssen, so SPD/FDP. Damals habe der Baye­ri­sche Kommu­nale Prüfungs­ver­band, ein Finanz­organ der Kommunen, drin­gend empfohlen, Anla­ge­ent­schei­dungen „nach­voll­ziehbar darzu­legen und zu doku­men­tieren“, insbe­son­dere auch, die Gremien damit zu befassen.

„Selbst wenn eine Anla­ge­ent­schei­dung im Einzel­fall gege­be­nen­falls in die allei­nige Zustän­dig­keit des Bürger­meis­ters fallen sollte, kann bei einer Anlage, die insge­samt fünf Millionen Euro umfasst, nicht mehr von unwe­sent­li­chen Entschei­dungen gespro­chen werden“, moniert SPD-Spre­cher Florian Spirkl: „Auch die gene­relle Anla­ge­stra­tegie ist eine wesent­liche Entschei­dung.“

Der Rech­nungs­prü­fungs­aus­schuss des Gemein­de­rats, dem Spirkl bis 2020 vorstand, habe sich nie mit der Geld­an­lage befasst, berichtet er auf Anfrage.

Der Verlust der fünf Millionen Euro war im Rathaus schon unmit­telbar nach dem Insol­venz­an­trag bekannt, also Mitte März. Publik gemacht hat es die Gemeinde erst jetzt, vier Wochen später. (Die Posi­tionen von Bürger­meister Böck zu den Fragen stehen in seiner Stel­lung­nahme vom Vortag.)

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1 Kommentar

  1. “Der Rech­nungs­prü­fungs­aus­schuss des Gemein­de­rats, dem Spirkl (SPD) bis 2020 vorstand, habe sich nie mit der Geld­an­lage befasst, berichtet er auf Anfrage.”

    Ich nehme an, dies hat auch die jetzige Vorsit­zende, Frau Keller-Zenth, nicht gemacht. Das ist nach meinen Erfah­rungen auch mit ein Problem, das beim Verlust zu beachten ist.

    Wie ich bereits darge­legt habe, war ich von 1996 bis 2014 im Rech­nungs­prü­fungs­aus­schuss der Gemeinde Ober­schleiß­heim. Während dieser 18 Jahre war meine Aufgabe, aufgrund meiner Kennt­nisse die Geld­an­lagen und die Kredite der Gemeinde zu über­prüfen. Der Ausschuss hat nicht gewartet, bis ihm Unter­lagen vorge­legt wurden, sondern hat auf Anfor­de­rung (“wir, der Rech­nungs­prü­fungs­aus­schuss wollen alle Unter­lagen von den Geld­an­lagen”, die Summe war aus den Haus­halts­stellen ersicht­lich) von der Verwal­tung die Unter­lagen zur Verfü­gung gestellt bekommen.

    Wie ich es aus den Berichten in der Schleiß­heimer Zeitung entnehme, hat der/die Vorsit­zende mindes­tens in der Zeit von 2019 bis 2020 dies versäumt. Ansonsten wäre die fahr­läs­sige Anlage schon früher aufge­fallen.

    Ich gebe Herrn Bach­huber Recht, “Ob man hier auf einen oder alle Steine werfen mag, ist Geschmacks­sache; ganz unschuldig ist in dem Debakel keiner”.

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