Schutz­pa­pier für Bäume

24.02.2021 | Rathaus | 3 Kommentare

Es war schier ein Grund­ge­setz Ober­schleiß­heimer Rathaus­po­litik: Eine Baum­schutz­ver­ord­nung braucht’s nicht. Mit den Bürger­meis­tern Hermann Schmid (CSU, 1976–1996) und Elisa­beth Ziegler (SPD, 1996–2014) hatten auch deren Frak­tionen plus zumeist FW und FDP eine derar­tige Rege­lung stets abge­lehnt.

Jetzt hat trotz Wider­stand aus CSU und FW eine frak­ti­ons­über­grei­fende Allianz die Verord­nung mit 15:8 Stimmen erlassen, mit der gere­gelt wird, wann und unter welchen Umständen Bäume gefällt werden dürfen, wie Nach­pflan­zungen zu regeln sind und welche Verfahren und Sank­tionen es gibt.

Akuter Anlass war eine ganze Serie von Abhol­zungen in der Bergl­wald­sied­lung; sieben Kiefern und Föhren, die dort in den letzten Tagen in privaten Grund­stü­cken gefällt worden seien, führte Gaby Hohen­berger (Grüne) an.

Mit dieser Entwick­lung begrün­dete Erich Elsner (SPD) auch den Schwenk seiner Frak­tion zur Baum­schutz­ver­ord­nung. Insbe­son­dere in der Bergl­wald­sied­lung inten­si­viere sich ein Gene­ra­ti­ons­wechsel der Eigen­tümer, sagte Elsner. Und dass damit in der jahr­zehn­te­lang einge­wach­senen Wald­sied­lung die emotio­nale Bindung zu den Bäumen als Korrektiv entfalle, sei seit einigen Jahren zu beob­achten, akut massiv.

Hohen­berger klagte, jetzt die Verord­nung einzu­führen, sei ohnehin „sehr spät“; für die zuletzt gefällten Bäume zu spät. 1994, bei ihrer ersten Phase im Gemein­derat, hatte sie bereits eine Baum­schutz­ver­ord­nung gefor­dert, war aber wie Partei­kol­legen später abge­blitzt.

Nun haben Hohen­berger und Stefan Vohburger (FW) einen aktu­ellen Antrag verfasst, den 15 Gemein­de­räte unter­zeichnet hatten; SPD, Grüne und FDP geschlossen, dazu zwei FW- und eine CSU-Rätin, auch Bürger­meister Markus Böck (CSU) stimmte in der Sitzung dafür.

Die Mehr­heiten in CSU und FW, jeweils vier Räte, lehnten das Instru­ment weiter ab. „Durch eine Baum­schutz­ver­ord­nung schützen wir nicht Bäume, sondern vernichten Bäume“, wieder­holte Peter Bent­hues (CSU) das in Ober­schleiß­heim bislang stets gültige Argu­ment.

Damit würden Grund­eigner getrieben, Bäume zu fällen, bevor sie Schutz­status erreichten, oder gar nicht erst zu pflanzen, um sich danach nicht Restrik­tionen auszu­setzen. Eine derar­tige Verord­nung habe zudem „sehr hohen Verwal­tungs­auf­wand“.

Bent­hues wolle weiter auf das Vertrauen setzen, “dass ein Grund­stücks­ei­gen­tümer seinen Baum liebt“. Er sehe nun „unsere schöne grüne Gemeinde durch ein Verwal­tungs­monster belastet“.

Auf Vertrauen zu setzen, werde gerade massiv entwertet, hielt Florian Spirkl (SPD) dagegen. Die angeb­lich geliebten Bäume würden „reihen­weise umge­schnitten“.

Hans Hirsch­feld (FW) erin­nerte, dass Ober­schleiß­heim auch ohne Baum­schutz­ver­ord­nung ausneh­mend grün geblieben sei. Die Verord­nung bürde den Garten­be­sit­zern „irrsin­nige Kosten“ auf. „Wer einen Baum gepflanzt hat, möchte auch selbst entscheiden, ihn zu fällen“, sagte er.

Stefan Vohburger (FW) sah nicht diese Kontro­verse als entschei­dend an; Bäume müssten immer mal wieder fallen. Für ihn sei das zentrale Motiv zur Zustim­mung, “dass die Frage der Nach­pflan­zungen gere­gelt ist”.

Casimir Katz (FDP) rückte für den Beschluss gar vom Säulen­hei­ligen der Libe­ralen ab, dem lang­jäh­rigen Gemein­derat Wolf-Diet­rich Großer. Der hatte eine Baum­schutz­ver­ord­nung stets abge­lehnt, weil sie ohne gleich­zei­tige Baum­kar­tie­rung zu wenig effektiv sei. Auch wenn das immer noch gelte, so Katz, so sei doch mitt­ler­weile „eine Baum­schutz­ver­ord­nung besser als keine Baum­schutz­ver­ord­nung“.

Das Gemein­de­bauamt hatte zu dem Antrag aller Frak­tionen noch fach­liche Korrek­turen und Ände­rungs­vor­schläge ange­bracht. Fritz-Gerrit Kropp (Grüne) forderte jedoch eine sofor­tige Verab­schie­dung ohne weitere inhalt­liche Debatten, was dann auch beschlossen wurde. Die Satzung wurde in Kraft gesetzt, Korrek­turen wolle man sich später vornehmen.

Beitrag teilen:

3 Kommentare

  1. Ich persön­lich finde den Schutz der Natur sehr wichtig. Diesmal kann ich nicht anders und muss mich daher zu Wort melden. Ich empfinde dieses „Schutz­pa­pier“ als einen zu starken Eingriff in die Privat­sphäre — gerade im Außen­be­reich.

    Hat daran jemand gedacht? Wen solche Rege­lungen treffen? Es ist nicht die neue Gene­ra­tion der Haus­be­sitzer in Neubauten.

    In Zukunft werden wir nur noch Zahn­sto­cher als Bäume im Gemein­de­be­reich sehen, weil niemand mehr die Bäume groß werden lässt. Denn manch Grund­be­sitzer, der einen großen, alten Baum­be­stand hat, hat nun auch große Kosten und einen irrsin­nigen Verwal­tungs­auf­wand. Man hat damit erreicht, dass ein Baum im Privat­be­reich ein Luxusgut wird.

    Von viel Schutz sehe ich da gar nichts. Wir haben schon Verord­nungen und bräuchten da keine neuen oder zusätz­li­chen. Vor allem werde ich mir da auf meinem privaten Grund­stück und Garten auch noch von der Gemeinde rein­reden lassen, was ich mit meinen Bäumen mache, die ich selber gepflanzt, gepflegt und bezahlt habe, und mir dann noch vorschreiben lassen, was ich als Ersatz pflanze, und dann nochmal dafür bezahlen?

    Wo sich der ein oder andere die jetzigen Verord­nungen so zurecht legt, wie es gerade benö­tigt wird. Manche Aussagen sind da nach meiner Ansicht nur Heuchelei und schein­heilig.

    Ich denke, derje­nige, der einen schönen Baum­be­stand hat, wird ihn auch erhalten. Aber gerade bei einem alten Baum­be­stand ist dies nicht immer möglich. Und warum soll man künftig auch noch zusätz­liche Kosten und Einschrän­kungen dafür haben, was man mit seinen eigenen Bäumen macht? Es macht den Anschein, als wäre es nicht für den Schutz, sondern auch noch eine zusätz­liche Einnah­me­quelle.

    Die Gemeinde hätte sich erst mal bemühen sollen, die öffent­li­chen Flächen und Schutz­ge­biete vernünftig zu behan­deln und die dort schon vorhan­denen Verord­nungen zu regeln, zu beachten und zu verfolgen. Es werden Land­schafts­schutz­ge­biete seitens der Gemeinde aufge­hoben für Gewerbe, aber der Private soll alles schützen und dann auch noch zusätz­liche Kosten tragen?

    Ein Kirchen­platz kann saniert werden und dafür sollen Bäume gefällt werden. Aber nach gewissen Aussagen kann man doch auch schön mit Baum­be­stand bauen, oder?

    Heut­zu­tage muss man nicht mehr alle Entschei­dungen verstehen. Wahr­schein­lich braucht dann in Zukunft der Eigen­tümer eines geneh­migt gefällten Baumes noch einen Holz­le­se­schein, um seinen eigenen Baum zu verwerten…

    Antworten
  2. Vielen, vielen Dank an Gaby Hohen­berger, Helga Keller-Zenth und Ingrid Lind­büchl für den jahre­langen Einsatz zur Einfüh­rung einer Ober­schleiß­heimer Baum­schutz­ver­ord­nung. Der Dank gilt auch den Mitglie­dern der anderen Frak­tionen, die dafür gestimmt haben.

    Diese Verord­nung bedeutet ja nicht, dass in Ober­schleiß­heim kein Baum mehr gefällt werden darf, aber so brutale Abholz­ak­tionen wie zuletzt z. B. am Ertl-Hof in der Ring­straße sollten ab jetzt der Vergan­gen­heit ange­hören. Und gleich­zeitig wird gere­gelt, wie Ersatz-Pflan­zungen für entnom­mene Bäume in Zukunft durch­zu­führen sind.

    Ein großer Erfolg!

    Dr. Fritz-Gerrit Kropp
    FS der Grünen

    Antworten
    • Ihre Aussage, Herr Dr. Kropp, zur “brutalen Abholz­ak­tion” beim Ertl-Hof trifft auch auf ein Mitglied Ihrer Frak­tion zu.

      Deshalb, wer im Glas­haus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!

      Hans Negele
      FW Gemein­derat

      Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert