Die Wunder­lö­sung haben wir!

14.02.2019 | Rathaus | 1 Kommentar

Die nicht mehr trag­baren Verkehrs­pro­bleme im Ort wollte Ober­schleiß­heim 1956 mit einer ultra­mo­dernen Lösung angehen. Die schon als „Todes­kreu­zung“ verschrieene Kreu­zung der Dach­auer- mit der Feier­abend- und Sonnen­straße sollte „mit einer farbigen Ampel“ gesi­chert werden, forderte der Gemein­derat, mindes­tens aber mit einem Blink­licht. (So inno­vativ waren die Geneh­mi­gungs­be­hörden übri­gens dann doch nicht; bis die Kreu­zung mit einer Ampel ausge­stattet wurde, dauerte es bis 1964.)

1955 wollte die Bundes­bahn den Bahn­über­gang in der Schön­leut­ner­straße schließen, wogegen die Gemeinde protes­tierte. Wenige Jahre später plante das Stra­ßen­bauamt die Besei­ti­gung des höhen­glei­chen Bahn­über­gangs in der Dach­auer Straße. 1960 wurde eine Brücke über Bahn plus Feier­abend­straße zur Erschlie­ßung des Neubau­ge­biets Park­sied­lung geplant.

1969 wurde das über­re­gio­nale Geneh­mi­gungs­ver­fahren für eine Orts­um­fah­rung der B471 nörd­lich von Ober­schleiß­heim durch­ge­führt. 1972 beschloss der Gemein­derat eine Stra­ßen­über­füh­rung der Dach­auer Straße über die Bahn, 1973 hob er den Beschluss wieder auf. Die Pläne der Nord­um­fah­rung für die B471 wurden beim Bau der Auto­bahn A92 wieder zurück­ge­stellt. 1982 nahm das Bundes­ver­kehrs­mi­nis­te­rium die Besei­ti­gung des höhen­glei­chen Bahn­über­gangs in ein Zwölf-Jahres-Programm auf.

1985 forderte eine Bürger­initia­tive eine west­liche Umge­hungs­straße parallel zur A92, die der Gemein­derat ablehnte. 1989 wurden in einem bayern­weiten Geneh­mi­gungs­ver­fahren zusätz­liche Anschluss­stellen an die A92 bei Ried­moos und Feld­moching geneh­migt, 1994 vom Bundes­ver­kehrs­mi­nis­te­rium aber wieder stor­niert. 2002 beschloss der Gemein­derat eine west­liche Umge­hungs­straße parallel zur A92.

1990 wurde das Projekt „Bahn im Tunnel“ initi­iert und die Gemeinde erstellte einen – nie rechts­kräftig gewor­denen – Bauleit­plan für eine Tunnel­füh­rung der Bahn unter der Dach­auer Straße. 2009 gab es ein Bürger­be­gehren für eine Stra­ßen­un­ter­füh­rung der Dach­auer Straße unter die Bahn, das im Bürger­ent­scheid nicht ange­nommen wurde.

Der – unvoll­stän­dige – Rück­blick auf Pläne, Planungen, Visionen, Debatten und Verfahren um Verkehrs­lö­sungen zeigt vor allem eins: Die Situa­tion ist schwierig. Das einfach mal zu akzep­tieren, wäre viel­leicht eine gesunde Basis für weitere Diskus­sionen. Denn die Verkehrs­de­batte mindes­tens der jüngeren Zeit leidet haupt­säch­lich unter dem Grund­fehler, dass jeder Vorschlag die defi­ni­tive Lösung verspricht.

Natür­lich hätte eine Stra­ßen­un­ter­füh­rung der Dach­auer Straße unter die Bahn posi­tive Aspekte. Dies abzu­streiten, wäre voll­kommen albern. Ebenso brächte eine Umge­hungs­straße der Staats­straße 2342 entlang der Auto­bahn A92 Vorteile, ein Auto­bahn­an­schluss bei Ried­moos brächte Vorteile, eine Tiefer­le­gung der Bahn brächte Vorteile.

Aber genauso brächte jedes der genannten Projekte – und alle weiteren derzeit denk­baren auch noch – genauso Nach­teile mit sich! Diese Zwei­schnei­dig­keit aller Möglich­keiten liest sich wie eine Binsen­weis­heit, ist aber aus der Ober­schleiß­heimer Verkehrs­de­batte leider völlig verschwunden.

Das Verkehrs­system im gesamten Groß­raum München ist so am Anschlag, dass bei jedem Körn­chen im Räder­werk der gesamte Betrieb kolla­biert. Ein Blech­schaden im Alla­cher Tunnel gebiert Staus auf der Schot­ter­strecke zwischen Ried­moos und Baders­feld. Und da soll es keine Auswir­kungen haben, wenn mit einer Stra­ßen­un­ter­füh­rung in der meist­be­fah­renen Bundes­straße Bayerns ein bishe­riges Nadelöhr geöffnet wird? Diese „Argu­men­ta­tion“ der Freien Wähler ist so hane­bü­chen, dass sie das gesamte Projekt diskre­di­tiert.

Die zweite funda­men­tale Lebens­lüge der Verkehrs­sicht von Ober­schleiß­heim ist es, dass zuständig immer nur andere sind. Die Bahn müsste. Die Auto­bahn müsste. Das Stra­ßen­bauamt müsste. Unter­schleiß­heim müsste. Alle Fürs­ten­feld­bru­cker und Dach­auer und Garchinger, die immer durch den Ort fahren, müssten. BMW müsste. Aber alle „Anderen“ vom Bundes­ver­kehrs­mi­nis­te­rium bis Unter­schleiß­heim haben jetzt 70 Jahre lang bewiesen, dass sie nicht die Kohlen für Ober­schleiß­heim aus dem Feuer holen – warum auch?

Die trau­rige Wahr­heit nach 70 Jahren wach­senden Auto­ver­kehrs ist doch wohl, dass die Situa­tion nicht ohne Neben­wir­kungen heilbar ist. Jede Verbes­se­rung hier bedingt eine Verschlech­te­rung da. Defi­nitiv jede.

Die Frage bei jedem Projekt von der Umge­hungs­straße über die Stra­ßen­un­ter­füh­rung bis zum Bahn­tunnel muss doch daher sein, ob die Kosten, der Aufwand, die ökolo­gi­schen Schäden und die Neben­wir­kungen im Verkehrs­ge­füge den Gewinn durch den Eingriff aufwiegen. Kann das für die Stra­ßen­un­ter­füh­rung gelten?

Sollten der Ort, sein Bürger­meister, sein Gemein­derat und seine poli­ti­schen Partei­ungen nicht endlich mal die Situa­tion annehmen, wie sie ist, anstatt je nach Partei­farbe unter­schied­lich illu­so­ri­schen Allheil­mit­teln anzu­hängen?

Wäre es völlig abwegig, endlich mal nach Verbes­se­rungen zu suchen und umzu­setzen, die man selbst in der Hand hat, anstatt nur armes Opfer der bösen Anderen zu sein? Verkehrs­len­kung. Hürden für den Schleich­ver­kehr. Alter­na­tive Mobi­lität fördern. Und, ja: keine Bauge­neh­mi­gung mehr für die Uni ohne eine akzep­table Verkehrs­an­bin­dung.

Die Situa­tion 2019: Der Ober­schleiß­heimer Gemein­derat wartet seit 1990 auf die Bahn im Tunnel. Die Freien Wähler fordern wie 2009 eine Stra­ßen­un­ter­füh­rung. Auf die Umge­hungs­straße West wird seit 2002 gewartet. Eine Verkehrs-Gesamt­schau gibt es seit 1956 nicht. Die letzte Maßnahme in der Verkehrs­po­litik: In der Ludwig-Thoma-Straße wurde die Einbahn­stra­ßen­rich­tung umge­dreht. Und dann wieder zurück­ge­dreht.

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1 Kommentar

  1. Voll­kommen rich­tige Sicht. Viel­leicht wäre die weit­sich­tige und über­par­tei­liche Planung durch Verkehrs­fach­leute, ohne partei­po­li­ti­sche und heimat­liche “Scheu­klappen”, eine bessere Grund­lage für ein Bürger­be­gehren.

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