Zankapfel Birke
Eine zur Fällung beantragte Birke in der Haselsbergerstraße war vergangene Woche am Montag Abend, Streitpunkt im Bau und Werkausschuss des Gemeinderates Oberschleißheim. Die direkt am Michaeliangergraben (auch Kirchenbacherl genannt) verwurzelte ca. 17,50 Meter hohe Birke, mit einem Stammumfang von 1,88 Metern, soll wegen der anstehenden Baumaßnahme auf dem bereits zweimal überplanten Grundstück an der Haselsbergerstraße prophylaktisch gefällt werden.
Diese stehe, so in der Beschlussvorlage des Bauamts begründet, nur 2,50 Meter von der neu geplanten Gebäudekante entfernt.
Beim Eintreiben von mehreren den Bachlauf schützenden Spundwänden ins Erdreich, würde zu viel des Wurzelraumes der flach wurzelnden Birke weggenommen werden, so dass das Überleben des Baumes als gering eingeschätzt wird. Diese Aussage stütze sich “auf die Inaugenscheinnahme der Birke von vier gemeindlichen Spezialisten”, wie Bauamtsmitarbeiter Sebastian Machl erklärte. Zudem sei durch den Eingriff die Standsicherheit gefährdet. „Wer haftet, wenn der Baum auf das Gebäude fällt?“, fragte Bauamtsleiterin Christiane Kmoch in die Runde.
Einen altgewachsenen, ortsbildprägenden Baum, präventiv zu fällen, wollte die Fraktion der Grünen nicht erlauben. Ihr Fraktionssprecher, Dr. Fritz-Gerrit Kropp forderte, die Birke stehen zu lassen, bis sich tatsächlich bewahrheite, dass sie irreparablen Schaden genommen hätte – “dann könne sie immer noch gefällt werden”. „In Wirklichkeit sind es mehr als 4,50 Meter Abstand zum geplanten Gebäude“, berichtigte Dr. Fritz Kropp, „im Bebauungsplan Nr. 47 ‘Eigenheimstraße’, von 2001, ist der als erhaltenswert eingestufte Baum falsch eingezeichnet und dieser Fehler wurde nie korrigiert.” Der Fraktionssprecher weiter: “In unmittelbarer Nachbarschaft wurden auch Spundwände in ähnlicher Nähe zum Kirchbacherl eingesetzt. Hier wachsen mehrere Nadelbäume (überwiegend Flachwurzler), die alle erhalten wurden und sehr viel näher an der Spundwand stehen als die Birke”.
Florian Spirkl, Fraktionssprecher der SPD, argumentierte, dass die Äste der Birke viel zu sehr in das neue Gebäude hineinragten und mahnte: “So kann man doch nicht bauen!”
Als Ersatzpflanzungen plant der Bauherr eine Robinie, einen Kirsch- und einen Apfelbaum. Daran störte sich Stefan Vohburger, Fraktionssprecher der Freien Wähler und kritisierte, dass in jüngster Zeit vornehmlich Obstbäume als Ersatzpflanzungen vorgeschlagen würden. “Obstbäume fallen nicht unter die Baumschutzverordnung und diese macht dann irgendwann keinen Sinn mehr.” sagte er.
Mit den Gegenstimmen der Grünen folgten die übrigen Bauausschussmitglieder dem Verwaltungsvorschlag und stimmten mit dem Bauantrag der Fällung der Birke zu.

Heftig kritisiert wurde das Vorhaben schon im Vorfeld von Gabriele Kämpf, einer Anwohnerin aus der Nachbarschaft. In ihrem der Redaktion bekannt gewordenen Brief an das Landratsamt, das bei Entscheidungen von Bauvorhaben im Landkreis das letzte Wort hat, verweist die Landschaftsarchitektin darauf, dass die Birke direkt am Kirchenbacherl stehe und ihre Hauptwurzeln in Richtung Bach hätte.
Die engagierte Umwelt- und Klima-Schützerin kämpft schon seit Jahren gegen die massive Flächenversiegelung und Nachverdichtung in Schleißheims Waldviertel. Laut Bebauungsplan Nr. 47 „Eigenheimstraße“ soll das in seinem Umgriff beinhaltete Wohngebiet den Charakter einer Gartenstadt haben und behalten. „Mit der Nachverdichtung speziell auf dem betroffenen Grundstück wird das Kirchenbacherl geradezu vergewaltigt“, schreibt die Aktivistin. „Die Klimakrise zwingt uns dazu, endlich umzudenken, bescheidener zu bauen, Bäume als die Retter in der Klimakrise zu betrachten und lieber die Gebäude so zu planen, dass Bäume erhalten werden“, so Gabriele Kämpf.
Die Birke ist im Übrigen Baum des Jahres 2023. Alle Birkenarten gehören zu den Überlebensspezialisten unserer heimischen Baumarten. Die Moorbirke leitete beispielswiese die Wiederbewaldung Mitteleuropas nach der Eiszeit ein. Dieser anspruchslosen und widerstandsfähigen Art gelang es dabei von Mitteleuropa bis weit in den Norden und in alpine Regionen vorzudringen.
Am 1. März hat die 7‑monatige, gesetzlich vorgeschriebene Vogelbrutschutzzeit begonnen. Bis zum 1.Oktober darf ohne Ausnahmegenehmigung vom Landratsamt kein Baum gefällt werden. Ingrid Lindbüchl
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