Herr­schafts­wissen nach Guts­herrnart

Herr­schafts­wissen wird seit jeher von Regie­renden einge­setzt, um ein Macht­ge­fälle gegen­über ihren Unter­ge­benen spürbar zu machen. Der Entzug oder die Gewäh­rung von Infor­ma­tionen sind ein probates Macht­spiel­chen.

In einem demo­kra­tisch verfassten Gemein­wesen gibt es daher klare Regeln, um Mandats­trä­gern maxi­male Trans­pa­renz gegen­über ihren eigent­li­chen Souve­ränen abzu­ver­langen, nämlich den Bürgern, die ihre Vertreter gewählt haben und die sie bezahlen.

Bürger­meister Chris­tian Kuch­l­bauer hat sich einen völlig will­kür­li­chen Umgang mit der Öffent­lich­keit oder Geheim­hal­tung von Vorgängen ange­eignet. Einen Antrag der CSU auf eine Plan­stelle Tourismus im Rathaus hatte er im Haupt­aus­schuss nicht­öf­fent­lich vorbe­raten lassen und im Gemein­de­rats­plenum dann wieder nicht­öf­fent­lich auf die Tages­ord­nung gesetzt. Auf Protest der CSU wurde er durch eine Mehr­heits­ent­schei­dung im Gremium öffent­lich behan­delt.

Offenbar versteht der Bürger­meister die Frage von Öffent­lich­keit nur als Spiel­chen, ob die Pres­se­ver­treter irgend­welche Infor­ma­tionen erhalten oder doch nicht, die er nach Guts­herrnart verteilt. (Ich kann ihm da übri­gens versi­chern, dass ich über weit die meisten öffent­li­chen Tages­ord­nungs­punkte in Rats­sit­zungen lieber keine Infor­ma­tionen gehabt hätte…)

Aller­dings heißt Öffent­lich­keit von Vorgängen doch viel­mehr, dass sich inter­es­sierte Bürger damit befassen können. Dass sie im Vorfeld mit Gemein­de­räten darüber spre­chen und ihre Argu­mente einbringen können, dass sie bei der Sitzung die Debatte verfolgen können, dass sie sich in Medien darüber infor­mieren können. Dass Gemein­de­räte vorab und anschlie­ßend darüber mit Betrof­fenen und Inter­es­sierten spre­chen können, dass sie ihre Entschei­dung erklären, ihre Ansichten darstellen oder posten können. All das ist bei nicht­öf­fent­li­chem Status verboten.

Entspre­chend legt die Baye­ri­sche Gemein­de­ord­nung klipp und klar fest, dass alle kommu­nalen Ange­le­gen­heiten öffent­lich zu beraten sind — eben weil grund­sätz­lich alles Ange­le­gen­heiten der Öffent­lich­keit sind. Die ausdrück­lich einzige Ausnahme gilt, “soweit Rück­sichten auf das Wohl der Allge­mein­heit oder auf berech­tigte Ansprüche einzelner entge­gen­stehen”.

Was davon soll auf die Schaf­fung einer Plan­stelle Tourismus im Rathaus zutreffen? Das ist nicht mal ein Grenz­fall, zu dem es zwei Meinungen gäbe — das ist glas­klar.

Und selbst wenn es eine Rechts­not­wen­dig­keit von Nicht­öf­fent­lich­keit gäbe: Wie kann der Bürger­meister dann zulassen, dass es im Gemein­derat öffent­lich abge­stimmt wird?

Die andere Seite der Macht­spiel­chen: Die Gewäh­rung von Infor­ma­tionen als Macht­mittel. So hat der Bürger­meister offenbar beim jüngsten Vereins­stamm­tisch offen über Ansied­lungs­pläne von BMW bei MItten­heim berichtet; ein Projekt, das im Gemein­derat, im plane­ri­schen Verbund mit Unter­schleiß­heim und bei BMW selbst der strik­testen Geheim­hal­tung unter­liegt. Im Proto­koll des Stamm­ti­sches ist zu lesen, dass der Bürger­meister unter anderem berichtet habe: “Gewer­be­standort zwischen Ober- und Unter­schleiß­heim, BMW hat Inter­esse, Entschei­dung ca. Ende Januar bis Anfang Februar, welcher der drei Stand­orte in Frage kommt”.

Im Gemein­derat darauf von der SPD ange­spro­chen, sagte Kuch­l­bauer, er werde dazu nur nicht­öf­fent­lich Stel­lung nehmen. Zu seinen öffent­li­chen Aussagen öffent­lich um eine Erklä­rung gebeten, hat er sich mit Verweis auf Nicht­öf­fent­lich­keit gedrückt.

 

 

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2 Kommentare

  1. Die Ansicht, dass ein Stel­len­plan eines Rathauses grund­sätz­lich nicht­öf­fent­lich zu sein habe, hat Bürger­meister Kuch­l­bauer exclusiv. Es mag sein, dass er das grund­sätz­lich so hand­habt, das macht es aber nicht korrekter.

    Was den Antrag auf Einrich­tung einer Tourismus-Stelle nicht­öf­fent­lich machen soll, erklärt Kuch­l­bauer weiter nicht. Perso­nal­stellen sind nur genau dann nicht­öf­fent­lich zu behan­deln, wenn es um konkrete Personen auf einer Stelle geht und um deren Persön­lich­keits­schutz; z. B. bei Höher­grup­pie­rungen, Fragen der Alters­teil­zeit, Verset­zungen und ähnli­chem, bei denen der Gesetz­geber ganz klar die Persön­lich­keits­rechte über das Infor­ma­ti­ons­recht der Öffent­lich­keit stellt. Wo aber soll bei der Einrich­tung einer Stelle ein Persön­lich­keits­recht betroffen sein?

    Die wieder­holten Anträge der Grünen, unter­füt­tert aus dem Gewer­be­ver­band, die Stelle eines Wirt­schafts­re­fe­renten zu schaffen, wurden unter Bürger­meister Kuch­l­bauer ganz selbst­ver­ständ­lich öffent­lich behan­delt. Warum auch nicht? In der glei­chen Gemein­de­rats­sit­zung, in der über die Frage der Öffent­lich­keit dieser Stel­len­ent­schei­dung gestritten wurde, hat Bürger­meister Kuch­l­bauer ganz selbst­ver­ständ­lich die Aufsto­ckung einer Perso­nal­stelle der Jugend­so­zi­al­ar­beit an der Bergl­wald­schule auf die öffent­liche Tages­ord­nung gesetzt. Warum auch nicht? Was aber macht die Aufsto­ckung einer Stelle, die mit konkreten Personen besetzt ist, deren Gehalt in der öffent­li­chen Sitzungs­vor­lage genannt ist, öffent­lich und die anonyme Einrich­tung einer Stelle oder Namen und Kosten nicht­öf­fent­lich?

    Ebenso wenig erklärt der Bürger­meister, wie er es zulassen konnte, den Antrag im Gemein­derat öffent­lich zu behan­deln, wenn er doch nach seiner Einschät­zung nicht­öf­fent­lich sein muss?

    Dass der Bürger­meister die Konse­quenzen der Öffent­lich­keit einer Entschei­dung darauf redu­ziert, ob ein Bericht­erstatter anwe­send ist oder nicht, zeigt seinen schmalen Hori­zont in der Frage. Wie im Kommentar ausdrück­lich darge­legt, ist die indi­vi­du­elle Versor­gung von Pres­se­ver­tre­tern wirk­lich das nach­ran­gigste Problem an der wider­recht­li­chen Nicht­öf­fent­lich­keit. Wie aber soll sich ein inter­es­sierter Bürger – oder eine Insti­tu­tion, hier beispiels­weise Touris­mus­verein oder Gewer­be­ver­band – über einen Vorgang infor­mieren, von dem sie gar nicht wissen können, dass er statt­ge­funden hat? Jedes Monat mal die Proto­kolle durch­blät­tern?

    Und wer jetzt das Problem dieser Stelle als wirk­lich nicht so wichtig empfindet — richtig, das finde ich auch. Bloß zeigt es die Willkür, nach der im Rathaus Entschei­dungen gefällt werden. Wer weiß denn schon, welche Entschei­dungen, die mehr Leute inter­es­sieren könnten, genauso faden­scheinig unter Verschluss gehalten werden?

    Den zitierten Passus im Proto­koll des Vereins­stamm­ti­sches als Verweis auf einen Pres­se­ar­tikel zu lesen, braucht viel Fantasie.

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  2. Nur eine Kurz­aus­sage: “Am Rande” ist in meinen Augen ein Kommentar, so sollte es man auch betrachten. Im Haupt­aus­schuss geht es unter anderem um den Stel­len­plan, dieser ist grund­sätz­lich immer nicht­öf­fent­lich.
    Eine Touris­mus­stelle gehört in den Stel­len­plan und wurde dadurch im Gemein­derat auch auf nicht­öf­fent­lich gesetzt. Die Entschei­dung, ob eine Stelle geschaffen wird oder nicht, wurde auf Antrag der CSU im Gemein­derat öffent­lich behan­delt.
    Wenn ein Bericht­erstatter bei einer Sitzung nicht anwe­send ist, kann dieser daher erst aus dem Proto­koll entnehmen, ob etwas auf öffent­lich gesetzt wurde, oder nicht.
    Zu dem Thema Vereins­stamm­tisch und BMW wurde auf Anfrage von mir nur mitge­teilt, dass ein Pres­se­ar­tikel in der SZ zu diesem Thema vorhanden ist und alle Betei­ligten hier keinen weiteren Kommentar abgeben. Es wurde weder abge­stritten, noch bejaht. Siehe Pres­se­ar­tikel: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/gewerbeansiedlung-bmw-und-naturschuetzer-auf-kollisionskurs‑1.4287512
    Mehr steht auch nicht im Proto­koll des Vereins­stamm­ti­sches.
    Mit freund­li­chen Grüßen
    Kuch­l­bauer

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