Europa

22.05.2024 | Parteien | 0 Kommentare

Ist das Maß voll oder ist es maßvoll?

Es wird bald ein neues Euro­päi­sches Parla­ment gewählt. Überall gibt es Wahl­pla­kate, aber viele haben keinen Bezug zu Europa. Es sind unzäh­lige Slogans, manchmal auch Köpfe, die kaum einer kennt. Und so mancher Slogan bringt mich zum Grübeln. Die Aussage „Sei kein Arsch­loch“ ist unmiss­ver­ständ­lich allge­mein gültig. Aber was bedeutet „Für ein starkes Bayern in Europa“ oder gar „Deutsch­land zuerst“?

Im 19. Jahr­hun­dert war Deutsch­land ein Flicken­tep­pich von einzelnen Staaten. Mit der Grün­dung des deut­schen Zoll­ver­eins 1833 wurde eine wirt­schaft­liche Entwick­lung einge­leitet, in der z.B. Maße, Gewichte und Währungen verein­heit­licht und die Zoll­grenzen abge­baut wurden. Das war eindeutig vorteil­haft! Bei der Grün­dung des Deut­schen Reiches kamen dann auch weniger attrak­tive Aspekte hinzu, weil man sich im Gegen­satz zu den anderen Staaten benach­tei­ligt fühlte. Das Ergebnis waren der Erste und letzt­lich auch der Zweite Welt­krieg.

Im 19. und 20. Jahr­hun­dert war Europa noch deut­lich geprägt von Kriegen. 1866 besiegte die preu­ßi­sche Armee bei König­grätz die von Öster­reich und Sachsen. Der „Erzfeind“ war aber Frank­reich und noch 1968 erlebte ich in Frank­reich kriegs­be­dingte anti­deut­sche Ressen­ti­ments. Das ist nun weit­ge­hend vorbei und einen wesent­li­chen Beitrag dazu hat die Euro­päi­sche Union geleistet.

Es gibt viele Aufgaben, die man besser zusammen löst. Umwelt­schutz und ein gemein­samer Wirt­schafts- und Rechts­raum sind darunter, aber auch die Sicher­heit ist gerade heute unver­zichtbar dabei. Andere Themen sind regional besser aufge­hoben. Dann sollten sie nach dem Prinzip der Subsi­dia­rität auch regional bleiben.

Hans-Diet­rich Genscher hat immer darauf hinge­wiesen, dass man sich in der EU für Mehr­heiten mit Part­nern abstimmen muss. Das ist eine der Grund­lagen libe­raler Politik. Man hat nie die Mehr­heit allein und muss seine Anliegen mit guten Argu­menten vortragen. Und die anderen sollten sich selbst nicht als das Maß aller Dinge sehen und zuhören. Natür­lich ist in einer Diktatur alles einfa­cher, aber es ist ganz sicher nicht besser.

„Deutsch­land zuerst“ wird von einer Partei als Gegen­satz zu Europa verstanden, nicht wissend, dass dies die Verein­ba­rung der Alli­ierten im Zweiten Welt­krieg war, Deutsch­land als Haupt­pro­blem zuerst zu besiegen, was danach zu „Europe first“ abge­wan­delt wurde.

Gegen ein starkes Bayern wäre nichts einzu­wenden, wenn dadurch die pro-euro­päi­sche Idee gestärkt würde. Europa sollte ein Europa der Regionen sein, nicht der natio­nalen Inter­essen. Die Euro­päi­sche Union wird und muss sich wandeln. Die eine oder andere globale Rege­lung muss modi­fi­ziert werden. Aber es gibt keine Alter­na­tive, nicht zum Euro und nicht zur Euro­päi­schen Union. Daher sollten wir alle nur die Parteien wählen, die das positiv gestalten wollen.  Es gibt ja einige zur Auswahl!

Dr. Casimir Katz, Gemein­derat (FDP)

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