Ist das Maß voll oder ist es maßvoll?
Es wird bald ein neues Europäisches Parlament gewählt. Überall gibt es Wahlplakate, aber viele haben keinen Bezug zu Europa. Es sind unzählige Slogans, manchmal auch Köpfe, die kaum einer kennt. Und so mancher Slogan bringt mich zum Grübeln. Die Aussage „Sei kein Arschloch“ ist unmissverständlich allgemein gültig. Aber was bedeutet „Für ein starkes Bayern in Europa“ oder gar „Deutschland zuerst“?
Im 19. Jahrhundert war Deutschland ein Flickenteppich von einzelnen Staaten. Mit der Gründung des deutschen Zollvereins 1833 wurde eine wirtschaftliche Entwicklung eingeleitet, in der z.B. Maße, Gewichte und Währungen vereinheitlicht und die Zollgrenzen abgebaut wurden. Das war eindeutig vorteilhaft! Bei der Gründung des Deutschen Reiches kamen dann auch weniger attraktive Aspekte hinzu, weil man sich im Gegensatz zu den anderen Staaten benachteiligt fühlte. Das Ergebnis waren der Erste und letztlich auch der Zweite Weltkrieg.
Im 19. und 20. Jahrhundert war Europa noch deutlich geprägt von Kriegen. 1866 besiegte die preußische Armee bei Königgrätz die von Österreich und Sachsen. Der „Erzfeind“ war aber Frankreich und noch 1968 erlebte ich in Frankreich kriegsbedingte antideutsche Ressentiments. Das ist nun weitgehend vorbei und einen wesentlichen Beitrag dazu hat die Europäische Union geleistet.
Es gibt viele Aufgaben, die man besser zusammen löst. Umweltschutz und ein gemeinsamer Wirtschafts- und Rechtsraum sind darunter, aber auch die Sicherheit ist gerade heute unverzichtbar dabei. Andere Themen sind regional besser aufgehoben. Dann sollten sie nach dem Prinzip der Subsidiarität auch regional bleiben.
Hans-Dietrich Genscher hat immer darauf hingewiesen, dass man sich in der EU für Mehrheiten mit Partnern abstimmen muss. Das ist eine der Grundlagen liberaler Politik. Man hat nie die Mehrheit allein und muss seine Anliegen mit guten Argumenten vortragen. Und die anderen sollten sich selbst nicht als das Maß aller Dinge sehen und zuhören. Natürlich ist in einer Diktatur alles einfacher, aber es ist ganz sicher nicht besser.
„Deutschland zuerst“ wird von einer Partei als Gegensatz zu Europa verstanden, nicht wissend, dass dies die Vereinbarung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg war, Deutschland als Hauptproblem zuerst zu besiegen, was danach zu „Europe first“ abgewandelt wurde.
Gegen ein starkes Bayern wäre nichts einzuwenden, wenn dadurch die pro-europäische Idee gestärkt würde. Europa sollte ein Europa der Regionen sein, nicht der nationalen Interessen. Die Europäische Union wird und muss sich wandeln. Die eine oder andere globale Regelung muss modifiziert werden. Aber es gibt keine Alternative, nicht zum Euro und nicht zur Europäischen Union. Daher sollten wir alle nur die Parteien wählen, die das positiv gestalten wollen. Es gibt ja einige zur Auswahl!
Dr. Casimir Katz, Gemeinderat (FDP)
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