Stel­lung­nahme zu “Rathaus verliert fünf Millio­nen bei Bankencrash”

Liebe Ober­schleiß­hei­mer Bürge­rin­nen und Bürger,

die Gemeinde Ober­schleiß­heim ist leider eben­falls, wie viele andere deut­sche Kommu­nen,  von der Insol­venz der Greens­ill-Bank betrof­fen und wird voraus­sicht­lich einen Groß­teil ihrer Rück­la­gen verlie­ren.

Es ist mir ein persön­li­ches Anlie­gen und auch meine Pflicht als Bürger­meis­ter, diesen Umstand für alle Bürger*innen trans­pa­rent zu machen, weshalb ich in der gest­ri­gen Finanz­aus­schuss­sit­zung folgende Mittei­lung verle­sen habe:

„Die Gemeinde Ober­schleiß­heim hat im Zeit­raum von Novem­ber 2019 bis August 2020 in verschie­de­nen Tran­chen insge­samt 5 Millio­nen Euro Fest­gel­der bei der Greens­ill-Bank angelegt.

Auf Anwei­sung der Bundes­an­stalt für Finanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht (BaFin) hat Greens­ill seinen Kunden­ver­kehr am 03.03.21 geschlos­sen. Am 16.03.21 wurde das Insol­venz­ver­fah­ren gegen die Bank beim AG Bremen eröffnet.

Unmit­tel­bar nach Bekannt­wer­den dieses Umstan­des wurde von Seiten der Kämme­rei versucht, die Fest­gel­der abzu­ru­fen, was jedoch aufgrund des bereits erlas­se­nen Mora­to­ri­ums nicht mehr möglich war.

Zum Zeit­punkt der Anlage besaß die Greens­ill-Bank ein gutes Rating und völlig markt­üb­li­che Zins­sätze von 0,44 % bis 0,51 %.

Die Geld­an­lage war zu diesem Zeit­punkt völlig seriös, konser­va­tiv und ohne jegli­che Hinweise auf eine drohende Insolvenz.

Sowohl dem Land­rats­amt als auch der Regie­rung von Ober­bay­ern wurde mitge­teilt, dass wir von der Insol­venz der Greens­ill-Bank betrof­fen sind.

Die Forde­run­gen beim Insol­venz­ver­wal­ter wurden ange­mel­det und wir werden uns vermut­lich einem Zusam­men­schluss von betrof­fe­nen Kommu­nen zum weite­ren juris­ti­schen Vorge­hen anschließen.

Da das Insol­venz­ver­fah­ren erst seit kurzer Zeit eröff­net ist, kann ein die Gemeinde Ober­schleiß­heim betref­fen­der finan­zi­el­ler Scha­den noch nicht beti­telt werden.“

Erste Reak­tio­nen auf die Pres­se­er­klä­rung von gestern spra­chen bereits von Fehlern und warfen den Bürger­meis­tern und der Verwal­tung Speku­la­tion vor.

Ich möchte deut­lich klar­stel­len, dass hier in keiner Weise von „verzockt“ oder „verspe­ku­liert“ gespro­chen werden kann. Weder Altbür­ger­meis­ter Chris­tian Kuch­l­bauer noch ich sind verant­wor­tungs­los mit diesen Geldern umgegangen.

Der Grund­satz lautet, dass kommu­nale Gelder „sicher und gewinn­brin­gend“ ange­legt werden soll­ten. Diese Voraus­set­zun­gen waren zum Zeit­punkt der Anlage nach Meinung der Finanz­ex­per­ten durch die Greens­ill-Bank voll und ganz gegeben.

Ich werde mich vehe­ment dage­gen wehren, wenn hier von Unfä­hig­keit der Verwal­tung oder ähnli­chem gespro­chen werden sollte. Mit sämt­li­chen Geldern wurde und wird nach bestem Wissen und Gewis­sen umgegangen.

Wich­tig ist, dass der laufende Betrieb der Verwal­tung und der Gemeinde aufgrund des gestern erar­bei­te­ten Haus­halts­ent­wurfs in jedem Fall gesi­chert ist. Die dauer­hafte Leis­tungs­fä­hig­keit der Gemeinde ist nicht in Gefahr.

Bestehende und auch geplante Projekte wie beispiels­weise das neue Gewer­be­ge­biet, das Laden­zen­trum am Stuten­an­ger und die anste­hen­den Wohn­be­bau­un­gen können unge­fähr­det fort­ge­setzt werden, so dass unser Ort trotz dieses Rück­schlags und der damit verbun­de­nen Einbu­ßen weiter an Attrak­ti­vi­tät gewin­nen wird.

Für künf­tige Geld­an­la­gen heißt es jetzt, alles Mögli­che zu tun, dass sich ein solches Szena­rio nicht wieder­ho­len kann. Ich über­nehme hier die volle poli­ti­sche Verant­wor­tung durch mein Amt.

Meines Erach­tens wäre es die Pflicht der Bundes­an­stalt für Finanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht (BaFin) gewe­sen, die betrof­fe­nen Kommu­nen über Unge­reimt­hei­ten (die es ja schein­bar gab) zu infor­mie­ren. Von Seiten des Bundes wäre jetzt ein guter Zeit­punkt, einzu­grei­fen und die betrof­fe­nen Kommu­nen zu unter­stüt­zen und aufzu­fan­gen. So manche Milli­arde, die in der Vergan­gen­heit in private Unter­neh­men geflos­sen ist, wäre jetzt an der Basis ganz gut aufgehoben.

Ich persön­lich bin mit großen Visio­nen und Vorstel­lun­gen in das Amt gegan­gen und bin über­zeugt davon, dass wir gemein­sam diesen Rück­schlag bewäl­ti­gen können. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, gemein­sam mit Verwal­tung und Gemein­de­rat Ober­schleiß­heim sicher und zukunfts­ori­en­tiert durch die nächs­ten Jahre zu lenken.

Markus Böck,
Bürgermeister

1 Kommentar

  1. Hallo Markus,

    wie Du ja weißt, bin ich ein Banker i. R., der ca 30 Jahre u. a. auf dem Anla­ge­sek­tor tätig gewe­sen ist. Daher frage ich mich, wer diese Finanz­ex­per­ten sind, die behaup­ten, dass kommu­nale Gelder „sicher und gewinn­brin­gend“ bei der Greens­ill-Bank ange­legt werden sollten. 

    “Diese Voraus­set­zun­gen waren zum Zeit­punkt der Anlage nach Meinung der Finanz­ex­per­ten durch die Greens­ill-Bank voll und ganz gege­ben.” Haben sie nicht den Bericht in der “Welt” von 2019 gele­sen? Ich zitiere: “Schon 2019 ’nicht kapi­tal­markt­wür­dig’ – Die Zocker-Kommu­nen waren gewarnt. Die Bremer Greens­ill-Bank hat inzwi­schen Insol­venz ange­mel­det. Mit etwas mehr Sach­ver­stand hätten deut­sche Kommu­nen bis zu 500 Millio­nen retten können. 340 Millio­nen Euro haben deut­sche Kommu­nen bei der Plei­te­bank Greens­ill verlo­ren. Dabei rieten Exper­ten schon vor zwei Jahren von Anla­gen ab. Ein Vermö­gens­ver­wal­ter erklärt zudem: Das Risiko war unnötig.”

    Im Jahr 2019, fast zwei Jahre vor der Greens­ill-Pleite, hat die Schwei­zer Rating­agen­tur ‘Inde­pen­dent Credit View (I‑CV)’ die Greens­ill-Bank als Ramsch bewer­tet. Dass andere Kommu­nen eben­falls inves­tier­ten, macht die Anlage nicht sicherer.

    Also, wie wir Banker sagen, eine äußerst hoch­spe­ku­la­tive Anlage. Die Geld­an­lage war zu diesem Zeit­punkt keines­falls seriös, konser­va­tiv und die Möglich­keit einer Insol­venz durch­aus gegeben.

    Im übri­gen wurde im September/Oktober 2020 im Münch­ner Merkur von den Schwie­rig­kei­ten der Greens­ill-bank berich­tet. Im Arti­kel stand auch, dass mögli­cher­weise Kommu­nen nicht uner­heb­li­che Verluste erlei­den. Die Greens­ill-Bank ist nicht aus heite­rem Himmel am 3.3. bzw. 16.3. Pleite gegan­gen. Die Gemeinde hätte aufgrund der Infor­ma­tio­nen viel früher reagie­ren müssen bzw. eigent­lich keine Anla­gen täti­gen sollen, auch nicht verlängern.

    Zum Thema: völlig markt­üb­li­che Zins­sätze von 0,44 % bis 0,51 %. Ich würde mich mal bei den orts­an­säs­si­gen Banken und Spar­kas­sen erkun­di­gen. Markt­üb­li­che Zinsen für Anla­gen dieser Art sind das nicht. In diesem Zins­satz ist ein speku­la­ti­ver Teil enthal­ten, sonst schließt keiner ab.

    Nach meiner Meinung sind in dieser Sache nicht uner­heb­li­che Fehler began­gen worden, auch wenn Du Dich dage­gen verwehrst. 

    Ich muss noch einige Fakten recher­chie­ren, um Fragen zu beantworten:
    — wurde der Gemein­de­rat bei der Anlage in die Entschei­dung mit einbe­zo­gen (bei dieser Größen­ord­nung sollte es so sein)
    — hat der Rech­nungs­prü­fungs­aus­schuss die Anlage geprüft? Von 1996 bis 2014 war ich als Mitglied des Rech­nungs­prü­fungs­aus­schuss dafür zuständig
    — hat eine jähr­li­che Prüfung der Boni­tät der Bank stattgefunden?
    — seit 2017 nicht mehr im Einlagensicherungsfond?
    — Scha­den­er­satz — wie läuft dies bei den ande­ren Kommunen?
    Fort­set­zung folgt.

    Grüße
    Emil Köbele

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