Leser­mail zum Arti­kel „Allee nicht der Gewer­be­er­schlie­ßung opfern“

Dieser Beitrag bezieht sich auf den Artikel "Allee nicht der Gewerbeerschließung opfern".

Mit seiner ausführ­li­chen Antwort auf unse­ren Offe­nen Brief zur geplan­ten Fällung der histo­ri­schen Allee in der Vete­ri­närstraße hat Ober­schleiß­heims Bürger­meis­ter Markus Böck eher bekräf­tigt, was er wider­le­gen wollte: Es gab für die Stra­ßen­er­wei­te­rung offen­bar keine ernst­hafte Alter­na­ti­venprü­fung. Es gab keine Abstim­mung darüber mit ande­ren Planungsbeteiligten. 

Aber es gibt – gewollt oder nicht – einen Zusam­men­hang mit der Gewer­be­ge­biets­pla­nung. Doch das erschließt sich nur bei nähe­rem Hinsehen.

Als Beispiel für enge Abspra­che zitiert Böck den MVV. Doch der stellt in eben der Stel­lung­nahme klar, dass er von der aktu­el­len Ausbau­pla­nung samt Fällung der Allee erst durch die öffent­li­che Diskus­sion und Bericht­erstat­tung erfah­ren habe: „Bis zu diesem Zeit­punkt lag uns dieser aktu­elle Planungs­stand nicht vor.“

Den MVV zitiert der Bürger­meis­ter auch, um die Verbrei­te­rung der Straße zu recht­fer­ti­gen: Es sei „legi­tim“, auf diese Weise den Begeg­nungs­ver­kehr für Busse und LKW zu gewährleisten. 

Von „zwin­gend erfor­der­lich“, wie das der Bürger­meis­ter und die Gemein­de­rats­mehr­heit sieht, ist darin nicht die Rede. Viel­mehr erin­nert der MVV daran, dass es in der Verant­wor­tung des Stra­ßen­bau­last- und des Projekt­trä­gers liege, auch andere Planungs­kri­te­rien wie den Natur­schutz zu berücksichtigen. 

Und er erwähnt, dass bei Enge und gerin­gen Fahr­ge­schwin­dig­kei­ten auch eine Stra­ßen­breite von sechs Metern regel­kon­form wäre. Schon im Mai erklärte er dem BN gegen­über: „Ein Behar­ren auf eine Stra­ßen­breite von mehr als sechs Metern in der Vete­ri­närstraße hat es aber seitens des MVV bis zum heuti­gen Zeit­punkt nicht gege­ben.“ Wer aller­dings auf den 6,50 Metern beharrte, war das planende Ingenieurbüro.

Allein schon deshalb wäre es nötig, die Planung noch einmal zu hinter­fra­gen und mindes­tens zu klären, ob sich die Allee nicht doch durch den Verzicht auf einen halben Meter Stra­ßen­breite retten ließe. Oder durch andere Gestal­tungs­va­ri­an­ten wie eine Ausweich­stelle oder eine Aufsplei­ßung der Fahr­strei­fen auf beide Seiten der Baum­reihe. Doch hierzu erfährt man vom Bürger­meis­ter nichts.

Viel­mehr zieht er als weite­ren Grund für den Stra­ßen­aus­bau das Verkehrs­gut­ach­ten heran. Für das Jahr 2035 prognos­ti­ziert es einen Mehr­ver­kehr durch die Fakul­tät von 3700 Kraft­fahr­zeu­gen am Tag. 

Das klingt nach viel. Aber ein Blick in die detail­lier­ten Fluss­dia­gramme zeigt: Die Fahr­ten vertei­len sich auf mehrere Stra­ßen und Knoten­punkte. So kommen für die Vete­ri­närstraße in den Spit­zen­zei­ten morgens und abends gut 300 Fahr­ten stünd­lich zusam­men. Gegen­über dem „Null­fall“, also der Entwick­lung bis 2035 ohne Fakul­täts­er­wei­te­rung, bedeu­tet das gerade einmal eine Zunahme von 13 Prozent.

Eine gewisse Ironie steckt darin, dass das Verkehrs­gut­ach­ten die West­um­ge­hung außen vor lässt und damit eine Art worst case beschreibt. Kommt sie denn, so das Gutach­ten, würde ein guter Teil des Ausweich­ver­kehrs durch die Vete­ri­närstraße wegfallen.

Hinzu kommt die gene­rell schwin­dende Aussa­ge­kraft aktu­el­ler Verkehrs­pro­gno­sen. Im Blick haben sie vor allem bishe­rige Trends der Bevöl­ke­rungs­ent­wick­lung und Ausbau­pläne etwa für Auto­bah­nen und Bundesstraßen. 

Blind sind sie aber für aktu­elle Trends wie Home­of­fice, Verkehrs­wende oder gar die Abkehr vieler junger Städ­ter vom Auto. Es könnte also sein, dass der Zuwachs beim KFZ-Verkehr gar nicht so deut­lich ausfällt oder tempo­rär bleibt.

Fest­zu­hal­ten ist: Weder der Busver­kehr noch die neuen Verkehrs­men­gen allein erfor­dern eine Stra­ßen­breite von 6,50 Meter. Daraus lässt sich eigent­lich nur der Wunsch der Gemeinde folgern, eine provi­so­ri­sche Erschlie­ßung für das neue Gewer­be­ge­biet spen­diert zu bekommen.

Der Bund Natur­schutz erkennt im bishe­ri­gen Planungs­pro­zess plane­ri­sche Defi­zite, eine unzu­rei­chende und irre­füh­rende Unter­rich­tung der Gemein­de­räte und der Öffent­lich­keit sowie Abwä­gungs­feh­ler. Er wird sich die Möglich­keit offen­hal­ten, den Bebau­ungs­plan nach einer recht­li­chen Prüfung des Verfah­rens anzu­fech­ten. Für alle Betei­lig­ten erfreu­li­cher wäre aller­dings zum jetzi­gen Zeit­punkt eine nach­träg­li­che sach­ge­rechte Alternativenplanung.

Bund Natur­schutz, Orts­gruppe Schleiß­heim; Bürger­initia­tive „Klima- und Natur­schutz in Schleiß­heim“; ÖDP-Orts­ver­band Schleiß­heim; Bünd­nis 90/Die Grünen, Frak­tion Oberschleißheim

1 Kommentar

  1. Den Leser­brief des Bund Natur­schutz vom 29.11. u. a. darf ich ergänzen:

    In einem persön­li­chen E‑Mail-Austausch hat mich unser Bürger­meis­ter zurecht berich­tigt, dass es sich bzgl. des MVV-Express­bus­ses nicht um die Linie Unter­schleiss­heim-Ober­schleiß­heim-Feld­moching handelt — diese wird sinn­vol­ler­weise direkt am Campus haltend über die Sonnen­straße geführt. Viel­mehr handelt es sich um die Linie Dachau-Ober­schleiß­heim-Garching, X201. Hier ist ein Schwenk über den Campus via St. Huber­tus-/Vete­ri­när-Straße hin zur Sonnen­straße Rich­tung S‑Bahnhof sicher sinnvoll.

    Laut Veröf­fent­li­chung des LRA Dachau verkehrt die Linie von 05:00 — 22:00 Uhr im 20-Minu­ten-Takt (bei vergleich­ba­ren Express-Linien im Land­kreis weist der veröf­fent­lichte Fahr­plan in der Nieder­fre­quenz-Zeit nur mehr 1 Fahrt/h aus).

    Deshalb sei die Frage erlaubt, ob der „Begeg­nungs­ver­kehr MVV“ der wahre Grund für die geplante Stra­ßen­ver­brei­te­rung ist oder dies nicht dem „Altar einer opti­mier­ten Logis­tik des Campus“ dient? 

    Bei 3 Zugangs­mög­lich­kei­ten werden gemäß unse­rem Bürger­meis­ter die beiden Zugänge von der Sonnen­straße die Haupt­last tragen — warum werden dem Schwer­last­ver­kehr, der Müll­ab­fuhr und schwe­rem land­wirt­schaft­li­chen Gerät nicht ausschließ­lich diese beiden Zugänge zuge­wie­sen? Und damit eine Begeg­nung mit dem Express­bus X201 ausgeschlossen?

    Folgt man der Argu­men­ta­tion zum Gewer­be­ge­biet (ausschließ­lich „hoch­wer­tige Betriebe“ = ein Dienst­leis­tungs­stand­ort für den Campus al a Garching-Hoch­brück) wird kein größe­rer Bedarf entste­hen, der nennens­wer­ten Schwer­last­ver­kehr auslöst. Oder steht jetzt schon fest, dass das Thema „ausschließ­lich hoch­wer­tige Betriebe“ Utopie ist, weil der Bedarf des Campus in der notwen­di­gen Größen­ord­nung niemals eintre­ten wird? Und in der Folge das Gewer­be­ge­biet aus Renta­bi­li­täts­grün­den doch für andere Betriebe mit erheb­li­chem Anlie­fe­rungs­ver­kehr geöff­net werden muss?

    Die Begrün­dung, dass die Verbrei­te­rung der Vete­ri­när-Straße ausschließ­lich dazu dient, den Begeg­nungs­ver­kehr mit dem Express­bus zu ermög­li­chen, ist mir — gelinde gesagt — zu dünn.

    Joachim Dähler

    Antworten

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