Zu Besuch im Gemeindearchiv von Oberschleißheim
Der Vergleich von Schleißheim mit den Abruzzen beschreibt nicht etwa örtliche Naturschutzgebiete, die es damals ja auch noch gar nicht gab, sondern die wilde Natur krimineller Elemente. Er stammt aus dem Jahr 1883 und steht, handschriftlich und selbstverständlich feinsäuberlich niedergeschrieben, in einer großen, bräunlich gebundenen Kladde, in der Bemerkenswertes im damaligen Gemeindegeschehen festgehalten wurde.
Es ging um einen Erpressungsversuch mit Morddrohung an einem Herrn mit Geldbesitz. Dafür waren mutmaßlich Kriminelle aus München (Abruzzen?) verantwortlich. Allerdings ließ sich die Gattin dieses Herrn durch den Erpresser-Brief nicht ins Bockshorn jagen (Zitat: “die Frau war nicht gleich so weichherzig”), es war nämlich ein Schwindel. Die energische Dame sorgte dafür, dass das alsbald aufflog.
Meine Frage, ob ich ihn mal besuchen dürfe, hat unser Archivar, Kreisheimatpfleger Dr. Falk Bachter, sehr freundlich aufgenommen und mir in unserem Gemeindearchiv im Dachgeschoss vom Rathaus noch einige andere historische Dokumente zur Gemeindegeschichte gezeigt. Die ältesten stammen aus dem Jahr 1854. Sie ruhen dort oben wohl geordnet in speziell für schützenswertes Kulturgut hergestellten Kartons.
Zum Beispiel gibt es eine Urkunde, 1866 im Auftrag von Ludwig II., also dem “Kini”, ausgestellt, die bestätigt, dass von der Maria-Hilf-Kirche in München ein neuer Pfarrer nach Schleißheim kommt. Die Berglwaldschule musste ihr Archiv in Teilen auflösen und hat den älteren historischen Bestand an das Gemeindearchiv weitergegeben. Deshalb kann man dort jetzt “Schulgeschichtliche Aufzeichnungen” aus dem Jahr 1944 einsehen. Es war auch für die Schüler kein gutes Jahr, Lebensmittelknappheit und jede Menge Kinderarbeit statt Schule.
Nicht nur Dokumente und Urkunden, sondern auch historische Fotoalben und andere Objekte werden im Archiv verwahrt, übergeben von früheren Besitzern, die nicht wollten, dass diese wertvollen Zeugnisse verloren gehen. Ein besonders hübsches Objekt ist ein kunstvoll gestaltetes, vollständig erhaltenes Biene Maja-Brettspiel aus den 1930er-Jahren mit bunt bemalten Spielfiguren aus Blei.
Dr. Bachter hütet alle diese Schätze sorgfältig und professionell, aber darüberhinaus ist er vor allem damit beschäftigt, Anfragen von außen zu beantworten. Sie betreffen Nachlässe und Meldedaten, Geburtsregister und standesamtliche Auskünfte aus der vordigitalen Zeit und kommen von Notaren, Rechtsanwälten, Erben, Familienforschern. Und tatsächlich auch von Leuten, die ihr Abschlusszeugnis verloren haben. Denn auch für das Schularchiv ist das Gemeindearchiv zuständig.
Das Archiv ist bei unserem Archivar in sehr guten Händen, aber wie es damit weitergeht, wenn Falk Bachter (Jg. 1941) diese Aufgabe nicht mehr übernehmen kann, ist derzeit völlig offen. Unsere notorisch von Personalnot geplagte und überlastete Gemeindeverwaltung kann da nicht einfach einspringen. Es ist sehr zu hoffen, dass sich eine Person mit dem nötigen Interesse und ein paar Fachkenntnissen findet, die das schöne Archiv weiter betreut und zugänglich hält.
Andrea Wörle
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