Historisches Biene Maja-Brettspiel aus dem Gemeindearchiv Oberschleißheim. Fotos: privat

“In Schleiß­heim fängt es nun an so wild­ro­ma­tisch zu werden wie in den Abruzzen”

08.08.2024 | Kultur & Geschichte | 0 Kommentare

Zu Besuch im Gemein­de­ar­chiv von Ober­schleiß­heim

Der Vergleich von Schleiß­heim mit den Abruzzen beschreibt nicht etwa örtliche Natur­schutz­ge­biete, die es damals ja auch noch gar nicht gab, sondern die wilde Natur krimi­neller Elemente. Er stammt aus dem Jahr 1883 und steht, hand­schrift­lich und selbst­ver­ständ­lich fein­säu­ber­lich nieder­ge­schrieben, in einer großen, bräun­lich gebun­denen Kladde, in der Bemer­kens­wertes im dama­ligen Gemein­de­ge­schehen fest­ge­halten wurde.

Es ging um einen Erpres­sungs­ver­such mit Mord­dro­hung an einem Herrn mit Geld­be­sitz. Dafür waren mutmaß­lich Krimi­nelle aus München (Abruzzen?) verant­wort­lich. Aller­dings ließ sich die Gattin dieses Herrn durch den Erpresser-Brief nicht ins Bocks­horn jagen (Zitat: “die Frau war nicht gleich so weich­herzig”), es war nämlich ein Schwindel. Die ener­gi­sche Dame sorgte dafür, dass das alsbald aufflog.

Meine Frage, ob ich ihn mal besu­chen dürfe, hat unser Archivar, Kreis­hei­mat­pfleger Dr. Falk Bachter, sehr freund­lich aufge­nommen und mir in unserem Gemein­de­ar­chiv im Dach­ge­schoss vom Rathaus noch einige andere histo­ri­sche Doku­mente zur Gemein­de­ge­schichte gezeigt. Die ältesten stammen aus dem Jahr 1854. Sie ruhen dort oben wohl geordnet in speziell für schüt­zens­wertes Kulturgut herge­stellten Kartons.

Zum Beispiel gibt es eine Urkunde, 1866 im Auftrag von Ludwig II., also dem “Kini”, ausge­stellt, die bestä­tigt, dass von der Maria-Hilf-Kirche in München ein neuer Pfarrer nach Schleiß­heim kommt. Die Bergl­wald­schule musste ihr Archiv in Teilen auflösen und hat den älteren histo­ri­schen Bestand an das Gemein­de­ar­chiv weiter­ge­geben. Deshalb kann man dort jetzt “Schul­ge­schicht­liche Aufzeich­nungen” aus dem Jahr 1944 einsehen. Es war auch für die Schüler kein gutes Jahr, Lebens­mit­tel­knapp­heit und jede Menge Kinder­ar­beit statt Schule.

Nicht nur Doku­mente und Urkunden, sondern auch histo­ri­sche Foto­alben und andere Objekte werden im Archiv verwahrt, über­geben von früheren Besit­zern, die nicht wollten, dass diese wert­vollen Zeug­nisse verloren gehen. Ein beson­ders hübsches Objekt ist ein kunst­voll gestal­tetes, voll­ständig erhal­tenes Biene Maja-Brett­spiel aus den 1930er-Jahren mit bunt bemalten Spiel­fi­guren aus Blei.

Dr. Bachter hütet alle diese Schätze sorg­fältig und profes­sio­nell, aber darüber­hinaus ist er vor allem damit beschäf­tigt, Anfragen von außen zu beant­worten. Sie betreffen Nach­lässe und Melde­daten, Geburts­re­gister und stan­des­amt­liche Auskünfte aus der vordi­gi­talen Zeit und kommen von Notaren, Rechts­an­wälten, Erben, Fami­li­en­for­schern. Und tatsäch­lich auch von Leuten, die ihr Abschluss­zeugnis verloren haben. Denn auch für das Schul­ar­chiv ist das Gemein­de­ar­chiv zuständig.

Das Archiv ist bei unserem Archivar in sehr guten Händen, aber wie es damit weiter­geht, wenn Falk Bachter (Jg. 1941) diese Aufgabe nicht mehr über­nehmen kann, ist derzeit völlig offen. Unsere noto­risch von Perso­nalnot geplagte und über­las­tete Gemein­de­ver­wal­tung kann da nicht einfach einspringen. Es ist sehr zu hoffen, dass sich eine Person mit dem nötigen Inter­esse und ein paar Fach­kennt­nissen findet, die das schöne Archiv weiter betreut und zugäng­lich hält.

Andrea Wörle

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