Ein Neubauprojekt stoßen die Grünen im Kommunalwahlkampf an: Unter dem Slogan “Kommt, wir bauen ein Zuhause!” regt ihre Bürgermeisterkandidatin Ingrid Lindbüchl an, den Parkplatz des Bürgerzentrums (Bild) mit einem aufgeständerten Wohngebäude zu überbauen.
Vorbild ist das preisgekrönte aufgeständerte Wohnhaus am Dantebad in München. Lindbüchl schwebt auf dem Bürgerzentrumsparkplatz “ein zukunftsorientiertes und architektonisch reizvolles Modellprojekt in nachhaltiger Holzständerbauweise mit viel Grün auf dem Dach” vor.
Zur Realisierung solle sich nach den Vorstellungen der Grünen eine Wohngenossenschaft bilden, um mit Eigenkapital gemeinsam dieses Zukunftsprojekt zu verwirklichen.
Der Parkplatz zwischen Theodor-Heuss- und Feierabendstraße wäre laut Lindbüchl “bestens geeignet” für das Projekt, da der Grund der Gemeinde gehöre und für das genossenschaftliche Bauen im Erbbaurecht vergeben werden könne. Dazu sei die Lage zentral “und es müssen keine wertvollen Naturflächen neu versiegelt werden”.
Genossenschaftliches Wohnen in der Abgaswolke?
Widersprüche in den Vorschlägen zur Ortsentwicklung der Grünen
Nach neuesten Zahlen des Verkehrsentwicklungsplans 2020 für Oberschleißheim haben im Jahr 2019 pro Tag 14.900 Verkehrsbewegungen auf der Feierabendstraße (St2342) in Höhe des Bürgerhausparkplatzes stattgefunden. Der Plan geht von einer weiteren Zunahme des Verkehrs aus. Dies ist auch gut nachvollziehbar, wenn man sich vorstellt, dass beim neuen Gewerbekomplex „Korypheum“ mit mehreren Tausend Arbeitsplätzen an der Ortsgrenze zwischen Ober- und Unterschleißheim und zugleich am schnell wachsenden Campus der Tierärztlichen Fakultät in Oberschleißheim eine riesige Anzahl von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge entsteht.
Die Grünen schlagen in ihrem Wahlprogramm vor, „Genossenschaftswohnungen“ auf dem Bürgerhausparkplatz zu bauen. Nach der von ihnen veröffentlichten Skizze soll die bis zu vierstöckige Wohnbebauung auf dem schmalen Grundstück nur wenige Meter von der Feierabendstraße entfernt errichtet werden. Es ist weder ein Lärmschutzwall noch eine Lärmschutzwand vorgesehen, gegen die immense Stickoxyd‑, Feinstaub- und CO2-Belastung kann der Bau ohnehin nicht vollständig abgeschirmt werden.
Nun ließen sich die Belastungen des Straßenverkehrs ganz erheblich durch den Bau der Westumfahrung, also die Verlegung der Staatsstraße 2342 an die Autobahn, reduzieren. Das lehnen die Grünen aber ab. Die Verkehrsplaner haben in ihrer Prognose für 2035 errechnet, dass die Belastung auf Höhe des Bürgerhausparkplatzes von 15.700 auf 9.000 Verkehrsbewegungen pro Tag zurückgehen würde. Bereits heute wohnen in den Geschossflächenbauten, den Ein- und Mehrfamilienhäusern entlang der Feierabendstraße sehr viele Menschen. Diese können nicht verstehen, dass überall in Deutschland über die Reduzierung von Lärm, Stickoxyd, Feinstaub und CO2 diskutiert wird, ihnen aber eine Entlastung vorenthalten werden soll.
In Oberschleißheim werden in den nächsten Jahren Wohnungen für etwa 2000 Menschen am Schäferanger, Kreuzacker und in Mittenheim neu entstehen. Diese Flächen liegen allesamt deutlich abgesetzt von den großen Verkehrsachsen unserer Gemeinde. Neue Wohnbaugebiete, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner einer exorbitanten Verkehrsbelastung ausgesetzt sind und permanent in einer Abgaswolke leben, sind sicher nicht sinnvoll. Hier passen die Vorstellungen der Grünen, auf der einen Seite aus ideologischen Gründen den Bau der Westumfahrung abzulehnen und gleichzeitig eine Verdichtung der Wohnbebauung entlang der Feierabendstraße zu forcieren, nicht zusammen.
Die SPD ist wie die Grünen überzeugt davon, dass Wohnbaugenossenschaften in der Zukunft wieder einen weit größeren Stellenwert haben müssen. Für das Neubaugebiet Mittenheim-West bieten sich derartige Projekte an.
Liebe Ingrid,
das ist ein sehr interessanter Vorschlag. Willst du hier andeuten, dass nun auch die Grünen für eine Westumgehung des Orts stimmen? Oder willst du Wohnbebauung an der aktuell wohl lautesten und mit Abgasen am meisten belasteten Stelle im Ort ausweisen? Das Grün auf dem Dach hilft da auch nicht viel. Außerdem heißt „Viel Grün auf dem Dach“ auch „wenig Solarzellen auf dem Dach“. Der Strom kommt also weiter aus der Steckdose.
Wenn man sich die Fläche genauer ansieht, fallen zwei Dinge auf:
1. sie ist momentan bei weitem nicht vollständig versiegelt. Sowohl die bepflanzten Bereiche mit vielen mittelgroßen, gesunden Bäumen als auch die Pflasterbeläge sorgen durchaus für einen hohen Anteil an natürlicher Versickerung des Regenwassers
2. das Grundstück ist sehr groß und mit ca. 30 m recht breit. Wenn man es komplett überbaut, gibt das auf jeden Fall „Tiefgaragen-Feeling“, wenn auch mit offenen Seitenwänden. Außerdem sind 30 m für einen Baukörper ohne Innenhöfe sehr viel.
Das Grundstück am Dantebad ist sehr schmal. Wohnen über Parkplätzen wird generell als unattraktiv wahrgenommen. Am Dantebad wurden (wohl deswegen) ausschließlich Sozialwohnungen gebaut. Zusammen mit diversen Fotos nachzulesen z.B. hier: https://www.dbz.de/artikel/dbz_Wohnen_am_Dantebad_Muenchen_3143677.html
Ich finde diesen Vorschlag sehr unausgegoren. Der Gesamtsituation wäre mehr geholfen, wenn in Schleißheim in Bahnhofsnähe nicht andauernd Einfamilienhäuser genehmigt würden und sämtliches Baurecht in der Bauhöhe auf drei oder maximal vier Geschosse eingedampft würde. Flach bauen heißt immer auch: viel Flächenverbrauch.
Die angesprochene Parkplatzfläche sollte sich die Gemeinde nach meiner Meinung offen halten. Wenn sich das Zentrum um den Bürgerplatz weiter verdichtet, werden wir bestimmt froh sein, diesen Joker noch in der Hand zu haben, um zum Beispiel den autofreien Kernbereich hierhin auszudehnen.
Viele Grüße und meine Besten Wünsche fürs neue Jahr,
Johannes Kreutz