Die SPD schickt einen Neubürger als Herausforderer für Bürgermeister Christian Kuchlbauer (FW) ins Rennen. Am Freitag nominierten die Genossen Harald Müller als Bürgermeisterkandidaten für die Kommunalwahl im März 2020. Der 60jährige Niedersachse lebt seit vier Jahren in Oberschleißheim und arbeitet als Justiziar und Verwaltungsleiter in München bei einem freien Träger der Jugendhilfe mit 90 Mitarbeitern.
Oberschleißheim werde in den nächsten Jahren mit tiefgreifenden Veränderungen des Ortsbildes durch Baumaßnahmen, Verkehrsführung, aber auch durch Änderungen des Einkaufsverhaltens der Bürger konfrontiert sein, skizzierte Müller bei seiner Antrittsvorstellung. Für die Entscheidungsfindung zu diesen Themen brauche es „einen Bürgermeister, der Konflikte entschärfen und unter den Menschen vermitteln kann“, sagte er.
Kuchlbauer sei „ein netter, geselliger Kerl, mit dem man sicher in angenehmer Atmosphäre ein gutes Bier trinken kann“, fand Müller, aber in der Amtsführung könne man „vieles besser machen“. Wichtigste Aufgabe als Bürgermeister sei die des Verwaltungschefs der Gemeindeverwaltung „und da habe ich den Eindruck, dass der Amtsinhaber dieser wichtigen Funktion, jedenfalls fachlich, nicht immer hinreichend gewachsen ist.”
Ganz explizit ärgerte sich der Kandidat auch darüber, „dass viel zu oft im Gemeinderat unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird“. Seinen Status als „Zuagroaster“ will Müller als Vorteil sehen. Dadurch sei er „persönlich ungebunden, niemandem verpflichtet und Garant für eine unbeeinflusste, faire und neutrale Amtsführung gegenüber jedermann“. Kuchlbauer hingegen sei „seit vielen Jahren durch persönliche Bekanntschaften und Verbindungen befangen und verstrickt“.
Harald Müller stammt aus der Nähe von Braunschweig und hat nach einer Banklehre in Göttingen seit 1983 in München Jura studiert und zwei bayerische Staatsexamen abgelegt. In Braunschweig arbeitete er dann selbständig in eigener Kanzlei als Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht und seit 2000 auch als Mediator. Dazu war einige Jahre Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer und publizierte nebenher als Fachjournalist.
2015 zog er wieder in seine bayerische „Wahlheimat“, wie er sagte, „die ich lieben und schätzen gelernt hatte“, verbunden mit einem Berufswechsel zu dem Jugendhilfeträger. Seit 41 Jahren ist Müller SPD-Mitglied. Während seines Studiums war er im Ortsverein Herrsching aktiv, später dann in der SPD Braunschweig, wo er im Unterbezirksvorstand saß. Müller hat zwei erwachsene Söhne.
Bei der Kandidatenkür: (v. li.) Unterbezirksvorsitzender Florian Schardt, Ortsvorsitzender Maximilian Weiß, Landesvorsitzende Natascha Kohnen, Bürgermeisterkandidat Harald Müller, Stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche und Florian Spirkl, Fraktionssprecher im Gemeinderat.
Mit Interesse habe ich die Wahlkampfauftakt-Zeitung der Oberschleißheimer SPD gelesen. Und ich finde es nicht nur mutig, sondern wirklich bemerkenswert, dass sich unsere Orts-SPD gegenüber dem sonstigen zerstrittenen (SPD-)Haufen auf europäischer, bundespolitischer und wohl auch landespolitischer Ebene absetzt und Fortschritt und Ausgleich als Ziele definiert. Heruntergebrochen auf unsere Gemeinde wird dafür in verschiedenen Artikeln u. a. Bürgerkontakt, gemeinsame Lösungen im Gemeinderat zum Bürgerwohl, Neutralität in der Amtsführung, Übernahme von Verantwortung und — wie auch immer — bessere Personalführung im Rathaus angeführt sowie kooperative und transparente Amtsführung. Hört sich gut an, sollte aber eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, die irgendwie und irgendwann offensichtlich von irgendjemandem (im Gemeinderat?) boykottiert wurde/wird.
Nun stellt sich der Kandidat vor, Neubürger aus Niedersachsen und daher unbelasteter Zugezogener, juristisch geschult und erfahren, zudem ausgebildeter Mediator und — seit 2015, also im Jahr der üblen Schlagzeilen der Jugendhilfe “Neue Wege” möglicherweise eingestellt — Teamleiter Verwaltung für rund 90 bei diesem freien Träger Beschäftigte. Passt, könnte man sagen.
Dann aber wird der Kandidat aufs dünne Eis der Schleißheimer Verkehrssituation geschubst. Unbelastet und niemandem verpflichtet, wird gleich mal der Bürgerwille ausgesetzt. Kein Wort zur Bindung an den Bürgerentscheid, stattdessen weiter abwarten, Erfahrungen nach dem Ausbau des Autobahnanschlusses machen, dasselbe nach einer möglicherweisen Entlastung der B471 mittels einer wünschenswerten Westverlegung des Staatsstr. 2342 — und überhaupt müsste eine Straßenunterführung erst mal in einem Bedarfsplan stehen und dann bereits priorisierte Projekte abgearbeitet werden.
Nun bin ich doch noch fassungslos geworden. Den Kandidaten stört also der Bürgerentscheid nicht, genauso wenig unsere Orts-SPD. Den Auftrag der Bürger an seine Gemeinde zu ignorieren, nicht für eine Lösung einzutreten, die politische Arbeit für eine Priorisierung usw. zu verweigern — die Stv. Landrätin (SPD) gibt der Orts-SPD dazu leider bestes Beispiel — macht traurig und den Haufen samt Kandidaten nun doch unwählbar.
Heinrich Stadelmaier