Von Alexander von Obert
Der Leserbrief von Herrn Beck kann so nicht stehen bleiben, weil er in sich inkonsistent und irreführend ist:
Windrad Kammerberg: Niemand bestreitet, dass auch bei uns ein Windrad Strom erzeugen kann. Wirtschaftlich ist das aber höchst selten und genau darauf geht Herr Beck nicht ein: Die Ausbeute eines Windrades geht, das ist reine Physik, mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit. Verständlicher ausgedrückt: Wenn die durchschnittliche Windgeschwindigkeit an einem Standort nur halb so hoch ist wie an einem anderen, liefert das Windrad nur 12% der Energie des Windrads am besseren Standort — wirtschaftlich und ökologisch die totale Katastrophe. In weiten Teilen Süddeutschlands herrscht eine mittlere Windgeschwindigkeit unter 6 m/s. Dafür geben die Hersteller der Windräder gewöhnlich überhaupt keine Daten mehr an.
“Der Rückgang liegt nicht am Wind:” Natürlich nicht. Der liegt ganz einfach daran, dass man höchstens auf dem Frankenwald Windräder wirtschaftlich betreiben kann. Dort stehen auch massenweise welche. Bei uns Windräder zu bauen ist ganz einfach Geld- und Ressourcenverschwendung.
Die hier ausschließlich angeführten Summen- und Mittelwerte sind sowieso irrelevant: Wind und Sonne liefern keine “gesicherte Leistung”, so der Fachbegriff. Für jede Solaranlage und jedes Windrad muss Kapazität in konventionellen Kraftwerken vorgehalten werden die einspringt, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Bei https://www.smard.de/home kann man sich detailliert ansehen, aus welchen Quellen zu einem bestimmten Zeitpunkt der Strom gerade her kam. Sehr aufschlussreich ist hier der 06.–07.11.24. Die “Klimagas”-Bilanz an solchen Tagen und Wochen ist grauenhaft.
“Die regionale Energiewende hat also noch viel Luft nach oben, bevor ein Netz verstopft wird.” Nachdem Herr Beck erst aufführt, dass wir keine relevanten Beiträge zur eigenen Stromversorgung liefern können, argumentiert er lokal — absolut unsinnig. Bernd Steinert hat mit den “verstopften Netzen” nicht irgendetwas behauptet, sondern lediglich den aktuellen Kenntnisstand der Fachwelt wiedergegeben. Unter https://www.netzampel.energy/home kann man sich aktuell ansehen, wo gerade wie viele Anlagen wegen verstopfter Netze oder zu großen Angebots erneuerbarer Energie abgeregelt werden.
Behaupte keiner, abgeregelte Windkraftanlagen in Norddeutschland gingen uns nichts an! Laut Bundesrechnungshof (https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Berichte/2024/energiewende-volltext.pdf?__blob=publicationFile&v=4) ist beispielsweise der Ausbau der Höchstspannungsleitungen in den Süden 7 Jahre hinter der Planung her. Fakten wie diese werden bei den üblichen Aussagen schlicht ausgeblendet, Entsprechend sInd die meisten, gewöhnlich unreflektiert wiedergegebenen, Behauptungen das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden. “Fachleute” wie Claudia Kempfert ergänzen ihre Aussagen regelmäßig mit dem Zusatz, dass ihre Prognosen nur gelten, wenn die Ausbaugeschwindigkeit ab sofort vervierfacht wird. So weit lesen aber die meisten Redakteure nicht.
MfG
Alexander von Obert
Eine kritische Auseinandersetzung mit sämtlichen Themen ist immer sinnvoll und begrüßenswert. Das gilt natürlich ebenso für die Energiewende. Daher möchte ich gerne hierzu kommentieren und fange mit der Windkraft an.
Die Wirtschaftlichkeit ist bei Windrädern in Süddeutschland bei entsprechenden Nabenhöhen durchaus gegeben. Ein Beispiel eines Windrads in unserer Region mit einer Nennleistung von 2,4 MW und einem Inbetriebnahmejahr von 2019 zeigt dies. Investkosten waren 4,7 Mio €, die Einnahmen liegen bei 8,1 Cent/kWh. Das ergibt bei einem durchschnittlichen Ertrag von 5,8 GWh pro Jahr Erlöse von ca. 470.000 €. Bei Betriebskosten von 80 €/kW müssen von den Erlösen noch 190.000 € abgezogen werden. Damit hat das Windrad nach 17 Jahren seine Investitionen wieder reingeholt. Angesichts von WEA-Lebensdauern zwischen 20 und 30 Jahren macht das Beispiel deutlich, dass es sehr wohl möglich ist, auch in Südbayern Windräder wirtschaftlich zu betreiben. Und das ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Sonst würden Banken solche Projekte gar nicht finanzieren. Die neuen WEA-Generationen haben zudem mehr Leistung bei geringeren Investkosten. Damit verschiebt sich das Verhältnis zu noch besseren Werten. Dass in Bayern in den letzten Jahren wenig Windräder gebaut werden, liegt nicht an der mangelnden Wirtschaftlichkeit, sondern an der 10-H-Regelung, eingeführt von der CSU.
Als Gegenbeispiel für eine nicht vorhandene Wirtschaftlichkeit möchte ich den aktuellen Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point C in Großbritannien nennen. Es hat eine Nettoleistung von 3.200 MW. Das AKW wird seit 2018 gebaut, die Fertigstellung ist frühestens für 2029 geplant. Wir sprechen also von einer Bauzeit von mindestens elf Jahren. Auf Wikipedia ist zur Finanzierung und zur Wirtschaftlichkeit zu lesen: „Da der Bau wegen der hohen Investitionskosten wirtschaftlich nicht rentabel ist, hatte EDF als Bedingung für einen Bau staatliche Subventionen in Form eines garantierten Stromabnahmepreises verlangt. […] Insgesamt wird das Kraftwerk mit 100 Milliarden Euro durch Großbritannien subventioniert.“ Von einer Wirtschaftlichkeit kann man hier also nicht sprechen. Auch bei anderen Kraftwerken auf Basis fossiler Energieträger liegen die Stromgestehungskosten über denen von Sonne und Wind, siehe hier eine Graphik des Fraunhofer ISE in Freiburg (Kenntnisstand der Fachwelt): https://www.pv-magazine.de/2024/08/06/fraunhofer-ise-stromgestehungskosten-fuer-neue-photovoltaik-freiflaechenanlagen-bei-41-bis-69-cent-pro-kilowattstunde-angekommen/
Stromausfälle sind im Übrigen entgegen der Befürchtung vieler Menschen im Laufe der Energiewende deutlich seltener geworden. Der Präsident der Bundesnetzagentur sagt: „Die Stromversorgungsqualität in Deutschland liegt weiter auf sehr hohem Niveau. Das zeigt, dass es gelingt, bei der Energiewende voranzukommen, ohne dass die sichere Versorgung beeinträchtigt wird”. Im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern zeigt sich auch, dass das deutsche Stromnetz weiterhin zu den zuverlässigsten zählt, trotz Ökostromanteil von 63 % im Jahr 2024.
Selbstverständlich gibt es Dunkelflauten von i. d. R. ein paar Tagen im Winter. Diese können auch mal in dem ein oder anderen Jahr 2–3 Wochen dauern. Das ist Realität und kann man nicht wegdiskutieren. Tun die Experten im Übrigen auch nicht. Diese Dunkelflauten können zukünftig z. B. durch den Einsatz von Wasserstoff überbrückt werden. Nur weil ein Bruchteil der Tage im Jahr nicht vornehmlich durch erneuerbare Energien gedeckt werden kann, bedeutet das noch nicht, dass die gesamte Energiewende gescheitert wäre. Die fossilen Energieträger haben eben den gravierenden Nachteil der hohen Treibhausgasemissionen, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Und diese Emissionen führen zum Anstieg der globalen Temperatur. Ist auch keine neue Erkenntnis, wusste schon Arrhenius Ende des 19. Jahrhunderts.
Und damit der energiehungrige Süden Deutschlands seinen Strom zu möglichst großen Anteilen selbst produzieren kann, benötigt es in der Region den Bau von zusätzlichen Anlagen auf Basis erneuerbarer Energien. Damit sind Sonne UND Wind gemeint. Die ersten Windräder im Landkreis München sind erfreulicherweise schon im Bau.