Ehema­lige Schü­lerin des Carl-Orff-Gymna­siums bewirbt sich an der Young Leaders Akademie für den damit verbun­denen Jour­na­lis­ten­wett­be­werb

30.07.2025 | Schule & Universität | 0 Kommentare

Eine Veröf­fent­li­chung von Gurpari Kaur

Gurpari Kaur besucht die 12. Klasse das Josef-Hofmiller-Gymna­siums in Frei­sing. Sie war vorher in Ober­schleiß­heim an der Grund­schule und bis zur 10. Klasse am COG in Unter­schleiß­heim. Für ihre Bewer­bung ist es notwendig, zwei veröf­fent­lichte Artikel vorzu­weisen. Wir von schleissheimer-zeitung.de unter­stützen sie dabei. AW

Die vier Säulen der Verkehrs­wende – warum Mobi­lität neu gedacht werden muss

Wie eine echte Verkehrs­wende unsere Städte, das Klima und die Gesell­schaft nach­haltig verän­dern könnte …

Von Gurpari Kaur

Die Locke­rung der Schul­den­bremse wurde am 18. März 2025 vom Bundestag beschlossen. Die notwen­dige Zustim­mung des Bundes­rates erfolgte am 21. März 2025. Damit trat die Reform der Schul­den­bremse offi­ziell in Kraft und stellt nun eine der weit­rei­chendsten Anpas­sungen der deut­schen Finanz­ver­fas­sung seit Einfüh­rung der Schul­den­bremse im Jahr 2009 dar. Hierbei wurde ein 500 Milli­arden Sonder­ver­mögen für Infra­struktur geschaffen und nun stellt sich die Frage, wie eine sinn­volle und zukunfts­ori­en­tierte Inves­ti­tion aussieht. Reicht es bestehende Struk­turen zu repa­rieren oder muss neu gedacht werden?

Herr L., 52, dreht seit zwanzig Minuten seine Runden durch die Innen­stadt. Der Park­platz bleibt unauf­findbar, der Arzt­termin ist inzwi­schen verpasst. Frau S., 34, steht auf dem Bahn­steig. Der Regio­nalzug nach Berlin fällt erneut aus. Es handelt sich um den dritten Ausfall in einer Woche. Ihr Vorstel­lungs­ge­spräch war für 9.30 Uhr ange­setzt, die recht­zei­tige Ankunft ist nun ausge­schlossen. Zwei alltäg­liche Geschichten, zwei geschei­terte Wege. Beide zeigen das Versagen unserer Infra­struktur und führen uns die Notwen­dig­keit einer Neuaus­rich­tung unserer Infra­struktur vor Augen. Das Ziel ist dabei klar und deut­lich: nach­hal­tige Mobi­lität.

Um unser Mobi­li­täts­kon­zept erfolg­reich zu verän­dern, müssen die Fehler des bestehenden Systems erkannt werden, denn die Zahlen spre­chen eine deut­liche Sprache. Rund 96 % der Treib­haus­gas­emis­sionen im deut­schen Verkehrs­sektor entstehen auf der Straße — davon entfallen 61 % auf Pkw und 36 % auf Lkw. Der Luft­ver­kehr bleibt dabei der unsicht­bare Riese: Seine 31 Millionen Tonnen CO₂ jähr­lich erscheinen nicht in der natio­nalen Klima­bi­lanz.

Zwar sind Fahr­zeuge heute effi­zi­enter als je zuvor, doch frisst das Verkehrs­wachstum diese Fort­schritte schlichtweg auf. Somit ist es keine Über­ra­schung, dass der Verkehrs­sektor 2024 erneut für rund 143,1 Millionen Tonnen CO₂ verant­wort­lich war — und als einziger Sektor das gesetz­lich fest­ge­legte Klima­ziel um rund 12 Prozent über­schritt.

Die Ursa­chen des Verkehrs­wachs­tums sind zahl­reich und doch alle menschen­ge­macht. Während Autos in den letzten Jahren für immer größere Teile der Gesell­schaft erschwing­lich wurden, sind SUVs zum Status­symbol aufge­stiegen und der Indi­vi­du­al­ver­kehr rückte zuneh­mend in den Fokus. Dies wiederum führte zu neuen Heraus­for­de­rungen, wie zersie­delte Städte, Inves­ti­ti­ons­schief­lagen zugunsten des Straßen- und Auto­bahn­baus sowie eine Über­be­las­tung des Stra­ßen­netzes.

Heute verbringt man mehr Zeit damit, einen Park­platz in der Innen­stadt zu suchen, als beim eigent­li­chen Arzt­termin. Geför­dert wurde diese Entwick­lung durch das Fehlen von komfor­ta­blen und zuver­läs­sigen Alter­na­tiven zum Auto, was sich anhand von Verspä­tungen und Ausfällen der öffent­li­chen Verkehrs­mittel zeigt.

Die Notwen­dig­keit einer Mobi­li­täts­wende zeigt sich nicht nur in den zuneh­menden Natur­ka­ta­stro­phen im globalen Süden, sondern auch in den sich häufenden Extrem­wett­ereig­nissen in Deutsch­land. Laut dem Deut­schen Wetter­dienst haben sich Extrem­wett­ereig­nisse in Deutsch­land seit den 1970ern mehr als verdrei­facht. Die Ahrtal-Flut von 2021, mit Schäden von über 30 Milli­arden Euro, ist dabei nur ein Hinweis auf einen sich verschär­fenden Trend.

Die Ursa­chen sind klar und nun gilt es, die Fehler von gestern nicht zu wieder­holen, sondern heute einen Plan zu entwi­ckeln, um Schritt-für-Schritt unsere Ziele für eine zukunfts­ori­en­tierte Mobi­lität in die Tat umzu­setzen. Das Prinzip einer nach­hal­tigen Mobi­lität kann dabei mit einem antiken Gebäude vergli­chen werden — eine Säule in allen vier Ecken sorgt für die benö­tigte Stabi­lität und schützt das Haus und damit unser Mobi­li­täts­kon­strukt vor dem Zusam­men­bruch.

Die erste Säule betrifft die Gestal­tung der Städte. Städ­te­planer, heut­zu­tage beein­flusst von den stei­genden Zahlen der PKWs, setzen ihren Fokus auf die auto­ge­rechte Planung mit Park­plätzen, so zahl­reich wie möglich oder mit Straßen mit so vielen Bahnen wie möglich. Statt­dessen schlagen Städte wie Paris einen anderen Kurs ein, und zwar nach dem Prinzip der Verkehrs­ver­mei­dung, denn weniger zurück­ge­legte Distanzen führen unmit­telbar zu gerin­geren Emis­sionen.

Die Pandemie hat bereits gezeigt, wie effektiv Home­of­fice und Video­kon­fe­renzen als klima­freund­liche Alter­na­tiven zum tägli­chen Pendeln ins Büro wirken können. Allge­mein bieten multi­funk­tio­nale und kompakte Städte die Möglich­keit, unsere Alltags­wege zu verkürzen und somit unseren ökolo­gi­schen Fußab­druck zu verrin­gern.

Ein Beispiel dafür ist das Konzept der „15-Minuten-Stadt“, in dem Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Frei­zeit­an­ge­bote aufein­ander abge­stimmt werden und inner­halb einer Vier­tel­stunde zu Fuß erreichbar bleiben. Paris hat uns bereits bewiesen, dass dieses Konzept keine Utopie sein muss.

Während nach­hal­tiger Städ­tebau die Notwen­dig­keit von Autos in urbanen Gebieten eindämmt, bleibt das Problem in länd­li­chen Gebieten bestehen. Deswegen kann die soge­nannte „Push-and-Pull“-Strategie als ein mögli­cher Hebel für Verän­de­rung einge­setzt werden. Pull-Faktoren wie güns­tige grüne Treib­stoffe, sichere Radin­fra­struktur oder Carsha­ring-Ange­bote sollen Anreize schaffen und den Umstieg erleich­tern. Gleich­zeitig sind Push-Faktoren, wie beispiels­weise eine konse­quente CO₂-Steuer, notwendig, um die Renta­bi­lität typi­scher Verbren­nungs­mo­toren zu verrin­gern.

Nur die effek­tive Einset­zung von Push- und Pull-Faktoren sorgt für den nötigen Druck und zugleich die Attrak­ti­vität für Alter­na­tiven. Diese Methode bleibt wirkungslos, wenn sich nicht genug Alter­na­tiven auf dem Markt befinden. Unver­zichtbar sind somit Steu­er­sen­kungen, Forschungs­zu­schüsse und der Ausbau der Infra­struktur für nach­hal­tige Treib­stoffe — insbe­son­dere im länd­li­chen Raum. Nur wenn diese Säule fest etabliert wird, ist der PKW keine Gefahr fürs Klima, sondern bleibt als Teil der nach­hal­tigen Verkehrs­fa­milie lang­fristig bestehen.

Prof. Dr. Andreas Knie, Mobi­li­täts­for­scher am Wissen­schafts­zen­trum Berlin, betont in zahl­rei­chen Inter­views, dass Mobi­lität nicht nur klima­freund­lich, sondern auch sozial gestaltet sein muss — erst wenn alle Zugang zu Alter­na­tiven haben, wird die Verkehrs­wende trag­fähig. Die Alter­na­tive, die bereits heute im Markt vorhanden ist und für die meisten von uns ein Teil des Alltags bildet, ist der ÖPNV. Heute zeigen sich die Folgen fehlender Inves­ti­tionen in die Sanie­rung und den Ausbau des Schie­nen­netzes in Form regel­mä­ßiger Verspä­tungen und Ausfälle. Die Deut­sche Bahn ist daher zum Sinn­bild wach­sender gesell­schaft­li­cher Enttäu­schung über die öffent­liche Infra­struktur geworden.

Trotz der aktu­ellen Heraus­for­de­rungen bleibt der öffent­liche Nahver­kehr ein zentrales Element im Leben vieler Menschen, das ihr Mobi­li­täts­ver­halten nach­haltig beein­flusst, unab­hängig von ihrer wirt­schaft­li­chen und sozialen Lage. Das Neun-Euro-Ticket hat bereits gezeigt, dass sich das Mobi­li­täts­ver­halten ändern lässt, wenn leicht zugäng­liche Alter­na­tiven zum Auto geschaffen werden.

Solange also die Bequem­lich­keit der Gesell­schaft nicht einge­schränkt wird, agiert der Mensch nicht als Blockade, sondern kann durch Nach­fra­ge­stei­ge­rung für grüne, erschwing­liche Alter­na­tiven und das Nutzen von öffent­li­chen Verkehrs­mit­teln als Kata­ly­sator der Mobi­li­täts­wende wirken. Wenn also der ÖPNV das Rück­grat unseres zukunfts­ori­en­tierten Verkehrs­sys­tems bilden soll, führt kein Weg an einer weit­rei­chenden Inves­ti­ti­ons­of­fen­sive und dem Ausbau der Deut­schen Bahn, der dritten Säule unseres ökolo­gisch trag­fä­higen Mobi­li­täts­sys­tems, vorbei.

Die vierte Säule wird von Insti­tu­tionen wie dem Bundes­mi­nis­te­rium für Digi­tales und Verkehr oder der Young Leaders Akademie getragen. Diese sorgen durch Aufklä­rungs­ar­beit bei der jungen Gene­ra­tionen für ein Bewusst­sein für Nach­hal­tig­keit und eine Begeis­te­rung für das Mitwirken an der Trans­port­in­fra­struktur der Zukunft.

Bei der Young Leaders Akademie wird sozial enga­gierten Jugend­li­chen eine Platt­form zur Vernet­zung und Orien­tie­rung geboten. Ziel ist es, sie für zukunfts­re­le­vante Heraus­for­de­rungen zu sensi­bi­li­sieren. Bei der dies­jäh­rigen 84. Akademie, unter­stützt vom Bundes­mi­nis­te­rium für Digi­tales und Verkehr, stand die Mobi­li­täts­wende im Fokus: Welche Verant­wor­tung trägt dabei die Gesell­schaft? Wie lassen sich Inno­va­tion und soziale Teil­habe verbinden?

Um unsere Mobi­li­täts­struktur zukunfts­ori­en­tiert anzu­passen, müssen zudem moderne Mobi­li­täts­lö­sungen betrachtet werden. Digi­tale Inno­va­tionen wie Echt­zeit-Verkehrs­steue­rung, auto­nome Fahr­zeuge oder KI-gestützte Mobi­li­täts­platt­formen sollen im Sinne der vierten Säule früh­zeitig vermit­telt und Teil des gesell­schaft­li­chen Diskurses werden.

Beitrag teilen:

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert