Schleißheimer Geschichten
“An Sommernachmittagen fuhr ich, ein Buch an der Lenkstange, in den Schleißheimer Wald” , so Thomas Mann in einer autobiographischen Skizze mit dem Titel “Lebensabriß”.
Das Zitat stammt aus einer Passage, in der er sein Leben als junger Mann im Schwabing vor dem Ersten Weltkrieg beschreibt, noch weit davon entfernt, weltberühmt zu sein. Damals, so erzählt er, war er “ein so leidenschaftlicher Radfahrer, daß ich fast keinen Schritt zu Fuß ging und selbst bei strömendem Regen, in Gummischuhen und Lodenpelerine, alle meine Wege auf dem Vehikel zurücklegte”.
Vermutlich war Schwabing gerade erst nach München eingemeindet worden (1890). Die Straße nach Schleißheim gab es jedoch schon, weil in Schleißheim seit dem 17. Jahrhundert die Wittelsbacher residierten. Es ließe sich sicherlich herauszufinden, wo genau aus damaliger Wahrnehmung der Schleißheimer Wald begann. Das Hasenbergl und die Autobahn lagen jedenfalls noch in fernster Zukunft und die Panzerwiese war definitiv noch keine Panzerwiese.
Wenn wir wüssten, unter welchem Baum sich Thomas Mann am Ende seiner Radltouren niederließ, um sein Buch weiterzulesen oder gar über die “Buddenbrooks” nachzudenken, dann könnten wir für unsere Schleißheimer Geschichten der Biene-Maja-Linde des Walter Bonsels vielleicht noch eine Buddenbrooks-Eiche des Thomas Mann hinzufügen.
Andrea Wörle
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