Vortrag von Günter Braun in der Flugwerft zum 80. Jahrestag des Kriegsendes
Ende April 1945 war die U.S. Army in Oberschleißheim einmarschiert und hatte den Ort und den Flugplatz kampflos übernommen. Der Zweite Weltkrieg war zu Ende. Kampflos — das war keineswegs selbstverständlich. In Lohhof legten Hitlerjungen einen Hinterhalt, in Hochbrück gab es eine Straßensperre, in Neuherberg hatten sich SS-Leute verschanzt. Die SS-Kaserne an der Panzerwiese musste im “Zimmerkampf” genommen werden.
Wäre es zu weiterem Widerstand in Oberschleißheim gekommen, hätte es womöglich noch mal einen Tieffliegerangriff auf den Ort gegeben, der während des Krieges als Militärstützpunkt bereits acht Luftangriffe mit schweren Zerstörungen erlebt hatte.
Verhindert wurde das durch den mutigen Peter Spoden, den örtlichen Kommandeur auf dem Flugplatz, der mit seiner Truppe kapitulierte. Mutig, weil er sich dadurch der Lynchjustiz von NS-Fanatikern aussetzte, der so mancher bei Kriegsende noch zum Opfer fiel.
Der Flugplatz wurde von den Amerikanern rasch instand gesetzt und wieder in Betrieb genommen, schon deshalb, weil man zu dem Zeitpunkt noch nicht genau wusste, zu wieviel Widerstand es noch aus der “Alpenfestung” und durch den “Werwolf” kommen würde. Die Startbahn wurde von 800 auf 1600 m verlängert. Die stark beschädigten Junkershallen wurden restauriert. Sie sehen heute noch so aus wie damals.
Für diese Arbeiten wurde die U.S. Army damals zum größten Arbeitgeber im Großraum München. Bereits am 9. Juni kam ein erster Zug mit Arbeitern aus München. Es gab Lebensmittelmarken und alle Deutschen waren “mit Rucksack” unterwegs, um zu “hamstern”. Denn der Mangel war groß. Eine “Industrial police” sollte für Ordnung sorgen, “Civilian Guards” bewachten die Militäreinrichtungen. Aber geklaut wurde trotzdem, besonders Zigaretten, damals die wichtigste “Währung”.
Die Hangars übernahm das American Joint Distribution Committee, die Hilfsorganisation für “Displaced Persons” und jüdische Überlebende des Holocaust. Für Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge wurden Baracken an der Schleißheimer Str., heute Münchner Allee, errichtet. Auf der Flugwerft wurde Kriegsschrott gesammelt, verwertet und verkauft.
Nach dem Ungarn-Aufstand 1956 war der Flugplatz wieder voll in Betrieb. Hier wurden Transporthubschrauber stationiert und Hubschrauberpiloten für Vietnam geschult. Es gab bis zu 64.000 Flugbewegungen im Monat.
Zeitweilig war Schleißheim der Flugplatz der amerikanischen Armee in Europa mit dem meisten Flugbewegungen. Das erzeugte einen Höllenlärm und es kam zu Protesten in der Bevölkerung. Daraufhin wurden zumindest die Flugrouten geändert.
Dass auf dem Gelände zwischen Schleißheim und München keine Trabantenstadt mit 30.000 Einwohnern errichtet wurde, hat auch mit den Amerikanern in Schleißheim zu tun. Dieser schöne Plan entstand Ende der 1950er-Jahre in München und sollte der akuten Wohnungsnot abhelfen. Aber die Amerikaner wollten den Flugplatz nicht aufgeben. Die Trabantenstadt wurde dann in Neuperlach errichtet.
Wohnungsnot gab es nach dem Krieg auch in Oberschleißheim. Viele Familien lebten in provisorischen Unterkünften. Außerdem hatten sich die Amerikaner vor Ort bei vielen Einheimischen einquartiert.
Immerhin zahlten sie, anders als manchmal kolportiert, dafür im Verhältnis zum durchschnittlichen Einkommen der Menschen auch ordentlich Miete. Das konnte Günter Braun anhand einer eindrucksvollen Abrechnungsliste demonstrieren.
1973 übergab die U.S.Army in Oberschleißheim den Flugplatz an die Bundeswehr. Die fast 30 Jahre seit Kriegsende waren durchaus prägend für den Ort. Nicht nur, weil die “Amis” auf der B 471 regelmäßig für Verkehrsunfälle und ansonsten auch gerne für Prügeleien sorgten, wenn sie nicht mehr nüchtern waren — und weil sie offenbar bis 1965 hier sogar ein Bordell namens Club Deborah betrieben. Sondern auch wegen Partys, wegen Icecream-Soda und Hillbilly-Musik.
Und wegen der Jugenderinnerungen. Auch die Schleißheimer Kinder haben damals zum ersten Mal Menschen gesehen, die keine weiße Hautfarbe hatten. Auch die Schleißheimer Kinder freuten sich über die Süßigkeiten, die die GIs verteilten.
Ganz zu schweigen von der Chance, im Rahmen der Re-Education zum ersten Mal einen Micky-Mouse-Film zu sehen (Elisabeth Ziegler). Oder gar das Schwimmbad zu benutzen zu Zeiten, als an ein eigenes Hallenbad noch gar nicht zu denken war. Oder auch wegen anderer Abenteuer. Die vielen Zuhörer des Vortrags von Günter Braun waren jedenfalls begeistert.
Andrea Wörle
0 Kommentare