Foto: privat

Die Ameri­kaner in Schleiß­heim

18.08.2025 | Kultur & Geschichte | 0 Kommentare

Vortrag von Günter Braun in der Flug­werft zum 80. Jahrestag des Kriegs­endes

Ende April 1945 war die U.S. Army in Ober­schleiß­heim einmar­schiert und hatte den Ort und den Flug­platz kampflos über­nommen. Der Zweite Welt­krieg war zu Ende. Kampflos — das war keines­wegs selbst­ver­ständ­lich. In Lohhof legten Hitler­jungen einen Hinter­halt, in Hoch­brück gab es eine Stra­ßen­sperre, in Neuher­berg hatten sich SS-Leute verschanzt. Die SS-Kaserne an der Panzer­wiese musste im “Zimmer­kampf” genommen werden.

Wäre es zu weiterem Wider­stand in Ober­schleiß­heim gekommen, hätte es womög­lich noch mal einen Tief­flie­ger­an­griff auf den Ort gegeben, der während des Krieges als Mili­tär­stütz­punkt bereits acht Luft­an­griffe mit schweren Zerstö­rungen erlebt hatte.

Verhin­dert wurde das durch den mutigen Peter Spoden, den örtli­chen Komman­deur auf dem Flug­platz, der mit seiner Truppe kapi­tu­lierte. Mutig, weil er sich dadurch der Lynch­justiz von NS-Fana­ti­kern aussetzte, der so mancher bei Kriegs­ende noch zum Opfer fiel.

Der Flug­platz wurde von den Ameri­ka­nern rasch instand gesetzt und wieder in Betrieb genommen, schon deshalb, weil man zu dem Zeit­punkt noch nicht genau wusste, zu wieviel Wider­stand es noch aus der “Alpen­fes­tung” und durch den “Werwolf” kommen würde. Die Start­bahn wurde von 800 auf 1600 m verlän­gert. Die stark beschä­digten Junkers­hallen wurden restau­riert. Sie sehen heute noch so aus wie damals.

Für diese Arbeiten wurde die U.S. Army damals zum größten Arbeit­geber im Groß­raum München. Bereits am 9. Juni kam ein erster Zug mit Arbei­tern aus München. Es gab Lebens­mit­tel­marken und alle Deut­schen waren “mit Ruck­sack” unter­wegs, um zu “hams­tern”. Denn der Mangel war groß. Eine “Indus­trial police” sollte für Ordnung sorgen, “Civi­lian Guards” bewachten die Mili­tär­ein­rich­tungen. Aber geklaut wurde trotzdem, beson­ders Ziga­retten, damals die wich­tigste “Währung”.

Die Hangars über­nahm das American Joint Distri­bu­tion Committee, die Hilfs­or­ga­ni­sa­tion für “Displaced Persons” und jüdi­sche Über­le­bende des Holo­caust. Für Zwangs­ar­beiter, Kriegs­ge­fan­gene und KZ-Häft­linge wurden Bara­cken an der Schleiß­heimer Str., heute Münchner Allee, errichtet. Auf der Flug­werft wurde Kriegs­schrott gesam­melt, verwertet und verkauft.

Nach dem Ungarn-Aufstand 1956 war der Flug­platz wieder voll in Betrieb. Hier wurden Trans­port­hub­schrauber statio­niert und Hubschrau­ber­pi­loten für Vietnam geschult. Es gab bis zu 64.000 Flug­be­we­gungen im Monat.

Zeit­weilig war Schleiß­heim der Flug­platz der ameri­ka­ni­schen Armee in Europa mit dem meisten Flug­be­we­gungen. Das erzeugte einen Höllen­lärm und es kam zu Protesten in der Bevöl­ke­rung. Daraufhin wurden zumin­dest die Flug­routen geän­dert.

Dass auf dem Gelände zwischen Schleiß­heim und München keine Traban­ten­stadt mit 30.000 Einwoh­nern errichtet wurde, hat auch mit den Ameri­ka­nern in Schleiß­heim zu tun. Dieser schöne Plan entstand Ende der 1950er-Jahre in München und sollte der akuten Wohnungsnot abhelfen. Aber die Ameri­kaner wollten den Flug­platz nicht aufgeben. Die Traban­ten­stadt wurde dann in Neuper­lach errichtet.

Wohnungsnot gab es nach dem Krieg auch in Ober­schleiß­heim. Viele Fami­lien lebten in provi­so­ri­schen Unter­künften. Außerdem hatten sich die Ameri­kaner vor Ort bei vielen Einhei­mi­schen einquar­tiert.

Immerhin zahlten sie, anders als manchmal kolpor­tiert, dafür im Verhältnis zum durch­schnitt­li­chen Einkommen der Menschen auch ordent­lich Miete. Das konnte Günter Braun anhand einer eindrucks­vollen Abrech­nungs­liste demons­trieren.

1973 übergab die U.S.Army in Ober­schleiß­heim den Flug­platz an die Bundes­wehr. Die fast 30 Jahre seit Kriegs­ende waren durchaus prägend für den Ort. Nicht nur, weil die “Amis” auf der B 471 regel­mäßig für Verkehrs­un­fälle und ansonsten auch gerne für Prüge­leien sorgten, wenn sie nicht mehr nüch­tern waren — und weil sie offenbar bis 1965 hier sogar ein Bordell namens Club Deborah betrieben. Sondern auch wegen Partys, wegen Icecream-Soda und Hill­billy-Musik.

Und wegen der Jugend­er­in­ne­rungen. Auch die Schleiß­heimer Kinder haben damals zum ersten Mal Menschen gesehen, die keine weiße Haut­farbe hatten. Auch die Schleiß­heimer Kinder freuten sich über die Süßig­keiten, die die GIs verteilten.

Ganz zu schweigen von der Chance, im Rahmen der Re-Educa­tion zum ersten Mal einen Micky-Mouse-Film zu sehen (Elisa­beth Ziegler). Oder gar das Schwimmbad zu benutzen zu Zeiten, als an ein eigenes Hallenbad noch gar nicht zu denken war. Oder auch wegen anderer Aben­teuer. Die vielen Zuhörer des Vortrags von Günter Braun waren jeden­falls begeis­tert.

Andrea Wörle

Beitrag teilen:

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert