Eine Themenführung im Neuen Schloss Schleißheim
Viele in Schleißheim denken wahrscheinlich, das Neue Schloss, ja, ja, das kenn ich längst. Die hier aufgewachsen sind, haben es wahrscheinlich zu Schulzeiten schon zum ersten Mal von innen gesehen. Ich bin zwar nicht hier aufgewachsen, aber ich war schon bei der großen Max-Emanuel-Ausstellung 1976 zum ersten Mal da, und seit ich hier wohne, immer wieder mal.
Trotzdem habe ich mich am Sonntag, dem 8.12.2024, zu einer Themenführung aufgerafft, die von der Schlösserverwaltung angeboten wurde. Unter dem Motto “Von Troja nach Oberbayern” sollte es um antike Helden im Schloss und auf seinen Deckengemälden gehen.
Ich ging alleine hin, denn mein Mann hatte aus den oben genannten Gründen keine Lust, aber außer mir gehörten zu den 16 Besuchern der Führung immerhin noch acht weitere Schleißheimer. Sogar Klaus Bachhuber, ruhmreicher Gründer von schleissheimer-zeitung.de, war mit seiner Lebensgefährtin da. Und was soll ich sagen: Eine so unterhaltsame und anschauliche Führung habe ich schon lange nicht mehr erlebt.
Denn unsere Führerin, die Kunsthistorikerin Dorothea Hutterer, konnte uns noch viel mehr erklären als die Tatsache, warum der Trojaner Aeneas, dessen Schicksal Vergil in seiner “Aeneis” schilderte, auf den berühmten Schleißheimer Deckengemälden eine wichtige Rolle spielt.
Die Geschichte des Aeneas war für Max Emanuel in einer weit vom Internet entfernten Zeit eine Art Meme, bei dem jeder gebildete Besucher seinerzeit sofort verstand, was der bayerische Kurfürst damit sagen wollte, welchen Anspruch er erhob.
Wer es ganz genau wissen will, kann es unter in dem Beitrag von Kurator Sebastian Karnatz unter https://schloesserblog.bayern.de/geheimnisse/aeneas-in-schleissheim noch einmal sehr schön und ausführlich nachlesen (Copyright 2024 Bayerische Schlösserverwaltung).
Aeneas war in der antiken Mythologie ein Fürst, Mitglied eines Herrschergeschlechts, der im Trojanischen Krieg aus Troja vertrieben wurde, eine lange Irrfahrt erlebte, schließlich in Italien landete, eine einheimische Königstochter heiratete und prompt ein Weltreich gründete, nämlich das römische. Und Max Emanuel, Held der Türkenkriege, war ebenfalls ein Fürst aus einem bedeutenden Herrschergeschlecht, der sich für die Wittelsbacher die Nachfolge des kinderlosen spanischen Königs sichern wollte und damit auch die Herrschaft über ein damaliges Weltreich.
Deshalb tat er sich mit den Franzosen zusammen und erlebte in der Schlacht bei Höchstädt eine gewaltige Niederlage gegen Habsburger und Engländer, die solche Ambitionen aus verschiedenen Gründen ablehnten. Diese seine einzige militärische Niederlage taucht selbstverständlich nirgendwo in der sieghaften Bildsprache seiner Schlösser auf. Ganz im Gegenteil, Max Emanuel sorgte bewusst dafür, dass es in seinem Schloss genauso pracht- und prunkvoll aussah wie im englischen Schloss Blenheim, wo der Duke of Marlborough residierte, der ihn bei Höchstädt besiegt hatte.
Aus dem Weltreich für Bayern wurde nichts. Die Habsburger besetzten das Kurfürstentum, Max Emanuel musste für zehn Jahre in die Verbannung und seine Kinder blieben in österreichischer Geiselhaft zurück, wenn auch in einer sehr komfortablen.
Selbstverständlich lagen nun auch die ganzen pompösen Bauvorhaben erst mal danieder, und aus Schloss Schleißheim wurde bekanntlich nie das Versailles der Münchner Schotterebene, als das es mal geplant war. Das war aber bei der Themenführung nur die Rahmenhandlung für eine Fülle von Details aus dem höfischen und politischen Leben der Zeit.
Man konnte erfahren, dass Schlachten damals geplant wurden wie heutzutage ein Meeting. Die gegnerischen Parteien bestimmten einen Treffpunkt, ein Schlachtfeld, und einen Zeitpunkt, wann es losgeht.
Genauso detailliert geregelt war das Protokoll für Besuche und Audienzen. Einen hochrangigen Besucher, zum Beispiel einen kaiserlichen Gesandten, konnte man schwerst verärgern, wenn er im Vorzimmer auch nur eine Sekunde länger warten musste, als für seinen Status vorgesehen.
Heutzutage hängen Bilder auch im Museum mehr oder weniger unverrückbar immer am selben Platz. Die reichen Bildersammler der damaligen Zeit, wozu vorrangig auch die Wittelsbacher gehörten, pflasterten die Wände damit, änderten die Hängung und ließen sich immer wieder einzelne Gemälde für den persönlichen Bedarf in die eigenen Räume bringen.
Diese Führung hat mir viel Spaß gemacht und meine Kenntnisse erweitert. Es schadet eben nicht, Gelegenheiten zu nutzen, bei denen man auch über Dinge Neues erfahren kann, von denen man glaubt, man weiß eh schon alles. Das gilt natürlich nicht nur für die Vergangenheit, aber es lohnt sich jedenfalls, auf zukünftige Themenführungen zu achten.
Andrea Wörle
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