Beim Erörterungstermin der Regierung von Oberbayern zum sechsspurigen Ausbau der A92 hat auch der ehemalige Gemeinderat (CSU) Thomas Guldenkirch private Einwände vorgebracht. Für die schleissheimer-zeitung.de gab er seine Eindrücke von dem nichtöffentlichen Termin wieder:
Am Freitag, den 26.07., war der letzte von mehreren Erörterungsterminen bei der Regierung von Oberbayern wegen des sechsspurigen Ausbaus der A92 zwischen dem Autobahnkreuz Feldmoching und der Anschlussstelle bei Eching. Es war der Termin der kleinen Leute; der Leute, die ein persönliches Anliegen hatten und ihren ganzen Mut brauchten, um bei der Regierung von Oberbayern in einem großen Saal gegenüber einen ganzen Riege von Fachleuten das Wort zu erheben.
Meistens ging es dabei um Lärmschutz, um Befürchtungen betreffend die eigene Lebensqualität, um das eigene Haus oder die eigene Wohnung. Klar, dass sie keine Chance hatten und mit vielen Standardantworten abgespeist wurden. Mal hatten sie mit ihrem Thema den Planungsgegenstand nicht getroffen. Mal seien die Gesetze schuld, an die man sich schließlich halten müsse. Mal sei eine andere Behörde zuständig und so weiter.
Nein, es war nicht wirklich eine Stunde des Dialogs. Schon eher eine Stunde der Belehrung.
Als Bürger steht man manchen Planungsinhalten fassungslos gegenüber und wundert sich über Vieles. Über Planer, über Juristen, über Politiker und über die Zeit, in der wir leben.
Wie kann es sein, dass bei Oberschleißheim die A92 sechsspurig und die B471 vierspurig ausgebaut werden, um im Norden von München noch mehr Verkehr noch flüssiger abzuwickeln, und der dafür notwendige ökologische Ausgleich zu immerhin 63 Prozent in der Gemeinde Krailling im Südwesten von München erfolgt? Einer wohlhabenden Gemeinde, die sich den politischen Luxus erlaubt, den Ringschluss der A99 im Süden abzulehnen, damit es da schön ruhig und schön grün bleibt.
Sind wir im Norden denn immer wieder Bürger zweiter Klasse, die es eben hinzunehmen haben, dass sie die Belastungen und der Süden die Begünstigungen bekommen? Warum regt sich kein Politiker darüber auf?
Warum zwingt niemand die Planer, den ökologischen Ausgleich dort vorzunehmen, wo sie mit ihrer Planung auch den ökologischen Schaden anrichten? Glaubt denn niemand, dass es den Menschen ein besseres Gefühl geben würde, wenn sie nicht nur den Schaden, sondern auch den Ausgleich spüren würden?
Wie kann es sein, dass man die Verbreiterung der A92 und der B471 plant und in der Planung ignoriert, dass zusätzlich auch noch die Staatsstraße 2342 aus Oberschleißheim heraus mitten in die grüne Fläche zwischen der im Westen vorhandenen Wohnbebauung und der im Westen verlaufenden Autobahn verlegt wird? Wie viel Verkehr insgesamt soll denn dort die Bevölkerung ertragen müssen und warum hält man das für zumutbar?
Wie viel unseres natürlichen Außenbereichs wollen wir zerstören und für was genau wollen wir das denn tun? Warum hört man darauf keine Antwort, sondern nur, dass die Staatsstraßenverlegung keine Rolle spielt, weil sie einen anderen Plan betrifft?
Wie kann es sein, dass die Planer den erforderlichen Lärmschutz rechnerisch ermitteln und dabei unterstellen, dass Kfz kontinuierlich 130 km/h (Berechnung der Lärmbelastung) und 120 km/h (Berechnung der Auswirkungen von Flüsterasphalt) fahren und gleichwohl nicht bereit sind, diese rechnerische Annahme auch durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung Wirklichkeit werden zu lassen? Warum können sich Planer darauf herausreden, dass sie zwar mit begrenzten Geschwindigkeiten rechnen müssen, aber keine verkehrsrechtlichen Anordnungen treffen können, und warum kann die für verkehrsrechtliche Anordnungen zuständige Behörde sich weigern, Geschwindigkeitsbegrenzungen anzuordnen, auf denen die Zumutbarkeit einer Planung für Menschen beruht?
Wie kann es sein, dass man sich den Lärmschutz mit einem Flüsterasphalt schön rechnet, der Flüsterasphalt aber mit zunehmender Lebensdauer seine lärmmindernden Eigenschaften verliert und gar nicht sicher ist, ob er zum richtigen Zeitpunkt oder ob er überhaupt erneuert wird? Flüsterasphalt ist teuer und niemand weiß heute, ob in der Zukunft noch die für einen pünktlichen Austausch erforderlichen steuerlichen Mittel vorhanden sein werden.
Wie kann es sein, dass sich die Gemeinde Oberschleißheim nicht mit einer Verbesserung des staatlichen Lärmschutzes auf eigene Kosten einbringt, obwohl das dazu beitragen würde, dass ihre Bürger hinreichend geschützt werden könnten, und obwohl der Straßenbaulastträger der Gemeinde genau das angeboten hat? Ist uns unsere Lebensqualität im Westen von Oberschleißheim nichts wert? Hatte Lustheim, wenn es darum geht, Lärmschutz von der Gemeinde zu erhalten, einfach die bessere Lobby?
Vielleicht ist es höchste Zeit dafür, dass sich die Bürger noch mehr als bisher organisieren. Klar ist aber auch, dass es an uns allen liegt, den Autoverkehr einzudämmen, um Planungen wie die kommentierte in Zukunft überflüssig werden zu lassen.
Liebe Leserinnen und Leser,
dieser Beschreibung des “Nichtdialogs” von Thomas Guldenkirch kann ich vollumfäglich zustimmen.
Schon bei der Vorstellung der 1. Tektur der Pläne “A92 München-Deggendorf, 6‑streifiger Ausbau AD München/Feldmoching — AK Neufahrn” am 22.12.2017 im Unterschleißheimer Bürgerhaus, als wir Grüne dort persönlich, zunächst mündlich, all oben genannten Einwände eingebracht hatten, wurden wir mit denselben Phrasen abgespeist, wie wir sie auf unsere dann schriftlichen Einwände bekommen haben. Belehrungen, Gesetzesvorgaben, an denen nichts zu rütteln sei, “Geht-uns-nichts-an, ist-Sache-des-Staatlichen-Bauamts-in-Freising”-Ausflüchte usw.
Ich habe das Gefühl, dass nichts, aber auch gar nichts von bürgerlichen Sorgen und Einwänden von politischer Seite zur Kenntnis genommen oder gar umgesetzt wird.
Dieses möchte ich an einem ganz konkreten Beispiel aufzeigen:
Ich habe in meiner schriftlichen Einwendung bezüglich des Lärmschutzes geschrieben:
“Der Lärmschutzwall entlang der BAB 92 auf Höhe von Oberschleißheim, sowohl südlich als auch nördlich der Anschlussstelle Oberschleißheim, ist in Höhe und Konstruktion ungenügend. Der Wall ist so zu bauen, dass eine zusätzliche Lärmschutzwand darauf errichtet werden könnte, so, wie es ein Beschluss des Gemeinderates Oberschleißheim vorsieht.”
Die Antwort der Regierung von Oberbayern: “Die Höhen der geplanten Lärmschutzwälle sind ausreichend, um die Grenzwerte nach RLS90 mit einer Verkehrsprognose im Planfall 2030 einzuhalten. Aufgrund dessen ist es nicht notwendig, die Krone des Lärmschutzwalles für eine Errichtung von Lärmschutzwänden breiter zu gestalten. Des Weiteren wäre für eine Verbreiterung der Krone auch zusätzlicher Grunderwerb erforderlich. Sollte dies gewünscht sein, sind die Mehrkosten von der Gemeinde zu tragen und ein frühzeitiges Anmelden für Bauausführung muss gewährleistet sein.”
Da fehlen mir die Worte, liebe Leute! Nichts, aber auch gar nichts an Willensbekundungen der Gemeinde Oberschleißheim ist angekommen!
Wir speisen seit Jahrzehnten eine “Rücklage Lärmschutzwall” in unserem Haushalt genau für dieses!
Wir haben einen Beschluss im Gemeinderat, der sagt: “Ja, wir wollen zusätzlichen Lärmschutz auf eigene Kosten errichten”. Wir wissen auch, dass die Lärmgrenzwerte mit dem “Flüsterasphalt” berechnet worden sind, dessen Effektivität und Lebensdauer begrenzt ist. Was ist danach? Wird er dann nach 12 Jahren massiven Reifenabriebs erneuert? Wir brauchen und wollen also zusätzlichen Lärmschutz.
Der Bürgermeister sagt in seinem Lesermail, dass er bei dem Erörterungstermin Zusagen erhalten hätte. Wofür eigentlich? Dafür, dass sich die Gemeinde Oberschleißheim um Grunderwerb kümmern muss? Dafür, dass wir frühzeitig schriftlich beantragen müssen, dass die Krone des Lärmschutzwalles breiter gebaut werden soll?
Ingrid Lindbüchl, Fraktionssprecherin Bündnis 90/Die Grünen
Sehr geehrter Herr Guldenkirch,
viele Ihrer Gedanken wurden auch von der Gemeinde Oberschleißheim geäußert und sind durchaus nachvollziehbar. Allerdings muss ich Ihnen bei einem Passus widersprechen: “Wie kann es sein, dass sich die Gemeinde Oberschleißheim nicht mit einer Verbesserung des staatlichen Lärmschutzes auf eigene Kosten einbringt, obwohl das dazu beitragen würde, dass ihre Bürger hinreichend geschützt werden könnten, und obwohl der Straßenbaulastträger der Gemeinde genau das angeboten hat?”
Sie kennen die Beschlusslage des Gemeinderates und wissen, dass genau dafür eine Rücklage gebildet wurde. Bei dem Erörterungstermin wurde dies u. a. von mir nochmals vehement eingefordert und auch zugesagt.
Christian Kuchlbauer