Finanzplan der Gemeinde beschlossen, aber nicht einstimmig, und dann auch noch das neue Autobahnkreuz
Dass der aktuelle Finanzplan der Gemeindeverwaltung von Oberschleißheim auf der Gemeinderatssitzung vom 28. März 2023 schließlich mit den Stimmen von CSU, SPD, FDP und GRÜNEN beschlossen wurde, trotz massiver Kritik insbesondere von SPD und GRÜNEN, dürfte zu einiger Erleichterung bei Bürgermeister Böck und der Gemeindeverwaltung geführt haben. Über 5 Monate hatte es gedauert, bis das “Mammutthema”, wie Böck die Erstellung des Haushalts nannte, als Zahlenwerk mit tragfähigen Lösungen vorgelegt werden konnte. Das Gesamtvolumen sei mit 49 Millionen spürbar höher als in den Vorjahren. Einstimmig war der Gemeinderatsbeschluss nicht. Die Fraktion der Freien Wähler (FW) und Gemeinderat Sebastian Riedelbauch (ÖDP) haben den Haushalt abgelehnt.
“Der Haushalt weist ein strukturelles Defizit auf, das wir so nicht mehr fahren können”, mahnte Riedelbauch. “Die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist überschritten und trotzdem verteilen wir mit offenen Händen, was wir verteilen können.” Riedelbauch forderte, alles auf Null zu stellen und noch einmal genau abzuwägen, was wirklich notwendig sei im Haushalt zu belassen und alles andere rigoros zu streichen.
“Letztes Jahr standen wir am Rande des Abgrunds, heute sind wir schon einen Schritt weiter” spitzte Florian Spirkl, Fraktionssprecher der SPD, in seiner Haushaltsrede die finanzielle Lage der Gemeinde zu. Die Ausgaben inklusive Kreisumlage überschreiten die Einnahmen. Die Pflichtaufgaben der Gemeinde und bereits beschlossene Projekte wie das neue Kinderhaus können nicht ohne erhebliche “Drittmittel”, sprich Kreditaufnahme (9 Mio. €), realisiert werden. Die Gemeinde ist auf Jahrzehnte hin belastet und in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt, zumal ja auch 5 Mio. aus dem Vermögenshaushalt durch die Fehlinvestition bei der Greensill Bank verloren sind. “In Zukunft müsse man deutlichen Sparwillen zeigen”, schloss Spirkl.
Dr. Fritz Kropp monierte für die GRÜNEN, dass nichts an Umweltschutzmaßnahmen im Haushalt zu finden sei und das ambitionierte Ziel der Kämmerei, den Haushalt im Dezember schon vorzulegen, nicht immer sinnvoll sei, denn alles, was mit heißer Nadel gestrickt werde, berge Fehlbeschlüsse.
Irene Beck stimmte für die FDP dem Haushalt zu und forderte alle Fraktionen auf, konstruktiv an der Entwicklung des neuen Gewerbegebietes mitzuarbeiten, damit die Gemeinde wieder Einnahmen generieren könne.
Details und Zahlen zum Haushaltplan sind nachzulesen auf der Gemeinde-Homepage (Bürgerservice & Rathaus > Gemeinderat, Sitzungen & Ratsinfo-System).
Ein Kreuz im wahrsten Sinn des Wortes geht vermutlich an der Gemeinde vorüber. Für das im Bundesverkehrswegeplan vorgesehene neue Autobahnkreuz an der A92/B471 muss die Gemeinde eigentlich auf eigene Kosten die Leitungen für Strom, Gas, Telekom, Abwasser und Trinkwasser zu den Ortsteilen westlich der Autobahn neu verlegen lassen. Der Schwebelbach ist auch betroffen. Kosten: rund 250.000 €. Derzeit befindet sich der Ausbau der Autobahn an dieser Stelle noch im Planfeststellungsverfahren. Nun hat aber die Ampel-Regierung gerade — in ebenfalls mühseligen Verhandlungen — eine Priorisierung für den Ausbau von Autobahn-Projekten beschlossen. Der Bau des Autobahnkleeblattes in Oberschleißheim an der A92 steht nicht in dieser Priorisierungsliste. AW
Nun sind innerhalb kürzester Zeit alle großen Verkehrsprojekte auf den Sankt-Nimmerleinstag-Tag verschoben: der Ausbau der A92 (inklusive Kleeblatt), die Unterführung der B471 unter der Bahn — selbst eine Machbarkeitsstudie wird für den Freistaat zu teuer — die Verlegung der Staatsstraße an die Autobahn mangels Planungsbüro! Und die Gemeinde muss selbst die Verbreiterung der St.-Hubertus-Straße angesichts der desolaten Haushaltslage „knicken“.
Einzig die Verbreiterung der Veterinärstrasse, bezahlt von der LMU, wird weiterverfolgt — begründet einzig und allein mit einem Bus-Begegnungsverkehr, der allerdings nur bei einer Taktverstärkung vorkommen könnte (beim aktuellen Fahrplan gibt’s keine Begegnungen!). Und eine mögliche Taktverstärkung könnte die Haltestelle an der Sonnenstrasse des geplanten Expressbus Unterschleissheim nach Feldmoching nutzen — warum müssen die Passagiere von der S‑Bahn zur LMU via Stutenanger geschleust werden?
Und gleichzeitig werden über mehrere Wohnungsbaumassnahmen 10% mehr Menschen nach Oberschleißheim ziehen — die zusätzliche Verkehrsbelastung wurde immer in den jeweiligen Gutachten als „machbar“ mit den bestehenden Straßen qualifiziert.
Wäre es da nicht endlich an der Zeit, all diese Einzelplanungen zusammenzuführen? Wäre es nicht endlich an der Zeit, eine Vision zu entwickeln, wie wir unseren Nachkommen unser Oberschleißheim überlassen wollen?
Und allen, die das Licht am Ende des Tunnels durch überbordende Gewerbesteuereinnahmen und damit die Lösung aller Probleme prognostizieren, sei die Frage gestellt: gibt’s überhaupt eine Einschätzung der möglichen Größenordnung?
Da wir ja nun — durch den Verlust von 5 Mio. € teilweise selbstverschuldet — dazu gezwungen sind: gehen wir mit allen Planungen wieder auf Start, führen alles zu einem Gesamtplan zusammen!
Wie sagte ein Nachbar zu dem bisherigen Szenario mit Unterführung plus Kleeblatt mit A92-Ausbau plus Gewerbegebiet eingebettet mit Zufahrtsstraßen: „Das ist ein Albtraum, aber ich erleb’s eh nicht mehr …“
Stattdessen haben wir nun die Chance, eine lebenswerte Vision zu entwickeln, auch wenn meine Generation die Fertigstellung nicht mehr erlebt …
Joachim Dähler